Tilšer, František

Tilšer (Tilscher) František (Franz), Politiker und Mathematiker. Geb. Budetzko, Mähren (Budetsko, CZ), 12. 6. 1825; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 5. 2. 1913.

Sohn der Kleinbauern Georg T. und Maria T. – Nach dem Besuch des Gymn. stud. T. 1840 bei →Alois Vojtech Šembera an der ständ. Akad. in Olmütz (Olomouc). Danach wirkte er als Hauslehrer der Familie Karst v. Karstenwerth. 1845/46 schloss er die phil. Jgg. an der Univ. Olmütz ab und stud. dort 1846–48 Jus (ohne Abschluss); 1849 Frequentant im Mineurcorps, absolv. er 1850 die Ing.-Akad. in Wien und wurde 1851 – zum Lt. ausgemustert – der Genietruppe in Krems an der Donau, dann der Genieakad. in Klosterbruck (Louka) bei Znaim zugeteilt; 1854 Oblt. des Geniestabs der Geniedion. in Mailand. 1855 wurde T. zum Prof. für beschreibende Geometrie und Stereometrie an der Genie-Akad. in Wien ernannt, ab 1864 fungierte er als solcher am utraquist. Polytechn. Inst. in Prag, ab 1869 an der tschech. TH; 1870 Rektor. T. befasste sich als Erster in Österr. systemat. mit der deskriptiven Geometrie. Ab 1869 nahm er aktiv am polit. Leben als Abg. zum böhm. LT teil, 1879–85 und 1891–95 zum RR. Seiner demokrat. Gesinnung gemäß kämpfte er gegen den Einfluss des böhm. konservativen Adels in der tschech. Politik. Im November 1873 lehnte er im Rahmen der jungtschech. Opposition die passive Resistenz der Alttschechen ab. Obgleich Mitgl. des gem. Tschech. Klubs, stimmte er 1883 im AH des RR gegen die Revision des Reichsvolksschulgesetzes von 1869. Folgl. war T. auch ein Gegner des von den Alttschechen und dem konservativen Adel abgeschlossenen dt.-tschech. Ausgleichs von 1890. In der Leitung der tschech. Freisinnigen Nationalpartei bekleidete er hohe Positionen: 1887–92 als Vors. des jungtschech. Abg.klubs im böhm. LT und ab 1890 an der Spitze des Exekutivausschusses der Partei. Im März 1895 trat er von allen Funktionen zurück. In seinen letzten Lebensjahren widmete er sich ausschließl. seinen wiss. Interessen. Als Gegner der Metaphysik Kants hob er die Bedeutung der exakten Wiss., insbes. der Ikonognosie hervor. T. war ao. Mitgl. der Kgl. Böhm. Ges. der Wiss. in Prag und wurde 1908 Dr. h. c. der tschech. TH Prag.


Werke: Darstellende Geometrie für den Gebrauch der k. k. Genie-Akad., 1862; System der techn.-maler. Perspective, 1865; Grundlagen der Ikonognosie, 1878; Krit. Bemerkungen zur Einführung in die Anfangsgründe der Géometrie descriptive, 1883 (auch tschech.); Pravda o vyrovnání, 1890; Jedine pravá cesta k panharmonii lidstva zabezpecena ikonognosií, 1907.
Literatur: WZ, 5. (A.), NFP, RP, Národní listy, Union (Prag), 6. 2. 1913; Masaryk; Otto; Otto, Erg.Bd.; Wurzbach; B. Procházka, in: Casopis pro pestování matematiky a fyziky 43, 1914, S. 1ff.; A. Mikulášek, Dr. techn. F. T., ucenec, politik a vychovatel, 1934; B. M. Garver, The Young Czech Party, 1871–1901, and the Emergence of a Multi-Party System, 1978, s. Reg.; O. Urban, Die tschech. Ges. 1848–1918, 1–2, 1984, s. Reg.; R. J. Hoffmann, T. G. Masaryk und die tschech. Frage, 1988, S. 97ff.; K. Rýdl, F. T., 1825–1913, 1990; ders., in: Comenius-Jb. 1, 1993, S. 64ff.; B. M. Garver, in: Nationalities Papers 24/1, 1996, S. 31ff.; Z. Sklenáriková, in: Matematika v promenách veku, 2001, S. 14ff.; J. Malír, in: ders. u. a., Politické strany 1, 2005, S. 150f.; Zemský archiv v Opave, pobocka Olomouc, CZ; Mitt. Robert Luft, München, D.
Autor: (J. Koralka)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 348f.
geboren in Budětsko
gestorben in Prag

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