Todesco, Eduard Frh. von

Todesco Eduard Frh. von, Großhändler und Bankier. Geb. Wien, 1. 4. 1814; gest. ebd., 17. 1. 1887; mos.

Sohn von →Hermann (Hirschl) T., Bruder von →Max(imilian) T. und →Moritz T., Vater von Hermann Frh. v. T. (geb. 5. 9. 1849; gest. 14. 6. 1876), Schwiegervater des engl. Parlamentsmitgl. Henry Worms, des RR-Abg. Ludwig Oppenheimer und des Chemikers →Adolph Lieben; ab 1845 mit →Sophie Freifrau v. T. verheiratet. – T. war ab 1845 Ges. und ab 1848 Dir. des Großhandelshauses und der Privatbank H. T.’s Söhne in Wien, machte sich ab 1848 bes. um den Staatskredit verdient und genoss deshalb das Vertrauen der Minister →Karl Ludwig Frh. v. Bruck und →Ignaz Frh. v. Plener. Ihm wurde ein außergewöhnl. Gespür für die Entwicklung von Aktienkursen nachgesagt, das er auch an der Börse nützte. Das von seinem Vater geerbte Mustergut mit einer Seidenraupenzucht in Legnaro wurde verkauft. T. erwarb i. d. F. 1851 ein Landgut in Herend sowie 1874 die ehemalige Herrschaft Nagyvázsony, wo er ein Gestüt unterhielt. Von seinem Bruder Max T. übernahm er 1858 gem. mit Moritz T. die Leitung der Textilfabrik Marienthal in NÖ, wobei ihm die führende Rolle zukam. 1864 fusionierten sie diese mit einer anderen nahe gelegenen Fabrik zur Marienthaler und Trumauer Actien-Spinn-Fabriks-Ges., in der die Familie T. bis 1925 zu den größten Aktionären zählte. Nach der Entwicklung zum Großbetrieb – 1861 erfolgte die Angliederung einer Weberei, 1871 der Bau einer Bleiche, 1881 die Errichtung einer Stoffdruckerei – entstanden Spannungen innerhalb der Belegschaft, die 1890 zu ersten Streiks für Lohnerhöhungen führten. T. nahm am kulturellen Leben Wiens regen Anteil, war leidenschaftl. Tarockspieler und wegen seiner „Todesciaden“ (Aussprüche mit missverstandenen Fremdwörtern) populär. 1861–64 ließ er von →Ludwig Förster und →Theophil Frh. v. Hansen das prunkvolle Palais Todesco im Stil der Neorenaissance gegenüber der Hofoper erbauen, in dem seine Frau Sophie einen Salon unterhielt. Für seine Kunstsmlg. erwarb T. Bilder bedeutender Maler, u. a. von Jacopo Tintoretto und Paolo Veronese, sowie eine Vorskizze von →Hans Makarts Monumentalbild „Carl V. in Antwerpen“. Großes Ansehen verschaffte er sich, zum Tl. gem. mit seinen Brüdern, durch die Gründung bzw. Förderung humanitärer Einrichtungen wie Kinderbewahranstalten in Markgrafneusiedel, Preßburg und Wien sowie des St. Josephs- und des Maria Anna-Kinderspitals und eines israelit. Taubstummeninst., ebenfalls in Wien. T. war Zensor der österr. Nationalbank, Verw.R. der Credit-Anstalt, Dir. der K.-Ferdinands-Nordbahn (ab 1857) und der Mähr.-Schles. Nordbahn. Verdienste erwarb er sich um den Bau der für militär. Zwecke wichtigen Carl Ludwig-Bahn in Galizien, deren Vizepräs. er wurde, und der für die Verwertung der böhm. Kohlevorkommen bedeutenden Böhm. Westbahn. T. war Mitgl. der IKG. 1861 in den Ritterstand erhoben, 1869 Frh. und Ritter der Eisernen Krone II. Kl., Komtur des sächs. Albrechts-Ordens II. Kl., Kommandeur des niederländ. Leopold-Ordens, Ritter der französ. Ehrenlegion, sächs. KR.


Literatur: NFP, 17., 18. 1. 1887; Czeike; Die Wr. Ringstraße 2, s. Reg., 5, s. Reg., 8, s. Reg.; Wurzbach; Th. Schön, Geadelte jüd. Familien, 3. Aufl. 1891, S. 80f.; R. Granichstaedten-Cerva u. a., Altösterr. Unternehmer, 1969, S. 122f.; B. Michel, Banques & banquiers en Autriche au début de 20e siècle, 1976, S. 106, 317; P. Müller, Die Ringstraßenges., 1984, S. 43f., 85, 94; K. Roschitz, Wr. Weltausst. 1873, 1989, S. 35, 51ff., 143; R. Sandgruber, Ökonomie und Politik, 1995, S. 219, 247, 286; A. Lichtblau, Als hätten wir dazugehört, 1999, S. 466f., 648; R. Müller, Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie, 2008, s. Reg.; J. Riedl, Jüd. Wien, 2012, S. 89f.; IKG, WStLA, beide Wien.
Autor: (J. Mentschl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 362f.
geboren in Wien
gestorben in Wien

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