Tagányi, Károly

Tagányi Károly (Karl), Archivar und Historiker. Geb. Neutra, Ungarn (Nitra, SK), 19. 3. 1858; gest. Budapest (H), 9. 9. 1924; röm.-kath.

T. stammte aus gutbürgerl. Familie dt. Herkunft; Sohn des Archivars Imrich T. (1808–1881) und von Anna T., geb. Stepánek; ab 1888 verheiratet mit Róza T., geb. Vadnay. – Nach Besuch des Gymn. stud. T. ab 1876 an der phil. Fak. der Univ. Budapest v. a. Geschichte, sein Interesse galt aber auch der Erd- und Völkerkde. sowie den slaw. Sprachen; 1879 Dr. phil., danach Mitarb. am 1875 errichteten Staatsarchiv in Budapest. 1889 erfolgte seine Ernennung zum Archivar, 1893 zum stellv. und 1901 zum Staatsarchivar, 1912 zum Archivdir. 1919 trat er i. d. R., arbeitete aber noch bis zu seinem Tod über die hist. Entwicklung des Adelsstands unter der Selbstverwaltung der kgl. Kom. Ungarns. Seine wiss. Arbeit umfasst sowohl Bereiche der Ethnographie, der Landeskde. sowie der Rechtsgeschichte als auch die Erschließung und Ed. von diversen Archivbeständen. T. gilt als Pionier und prominenter Vertreter der ung.sprachigen Wirtschafts- und Ges.geschichtsschreibung. Sein Frühwerk war stark von den Ansichten Hippolyte Taines geprägt, wenngleich er sich von dessen Milieutheorie zunehmend distanzierte. Sein krit.-philolog. Interesse führte ihn bald zu der Einsicht, dass die Disziplinen der Sprachgeschichte, der komparativen Ethnographie, der Rechtsgeschichte etc. in ihren systemat. Zusammenhängen betrachtet werden müssen. Bes. Wert kommt seinen Untersuchungen über die frühmittelalterl. Staatsverwaltung und über die Flurgemeinschaft „A földközösség története Magyarországon“, 1894 (Neuaufl. 1950; dt. „Geschichte der Feldgemeinschaft in Ungarn“, 1895), sowie seiner Arbeit „Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn“, 1922, zu. Seine Untersuchungen der alten Ortsnamen Ungarns erschienen v. a. in der Z. „Magyar Nyelv“. T. erstellte auch ein Inventar der ung. Adelsbriefe und eine vollständige Wappensmlg. der Ortschaften. 1914–16 war er mit László Erdélyi in eine heftige Diskussion über Fragen zur Ges.geschichte der Arpadenzeit verwickelt, deren Forum die Z. „Történelmi Szemle“ bildete. Darüber hinaus verf. T. eine Geschichte des ung. Staatsarchivs und erschloss systemat. dessen Bestände. Seine Stud. zur Siegelkde. wurden nicht veröff., die Mss. werden in der Ung. Nationalbibl. (Országos Széchényi Könyvtár) aufbewahrt. Zahlreiche Artikel publ. er in Fachz. wie „Századok“ und „Ethnographia“, 1894–1901 war er Red. und Hrsg. der Z. „Magyar Gazdaságtörténeti Szemle“, die namhafte Autoren um sich sammelte und die Richtung eines krit.-philolog. Historismus, verbunden mit einem kulturgeschichtl. Interesse, vertrat. T. war ab 1883 Vorstandsmitgl. der Magyar Heraldikai és Genealógiai Társaság (Ung. Ges. für Heraldik und Geneal.), ab 1896 Mitgl. des Ausschusses für die Bestandsaufnahme ung. Ortsbezeichnungen, ab 1897 k. M., ab 1918 o. Mitgl. der MTA, ab 1916 o. Mitgl. der Szt. István-Akad., Vorstandsmitgl. der Magyar Történelmi Társulat (Ges. für ung. Geschichte), Mitgl. der Magyar Nyelvtudományi Társaság (Ges. für ung. Sprachwiss.), ab 1915 Min.rat sowie 1920–24 Vors. der Magyar Néprajzi Társaság (Ung. Ges. für Ethnographie).


Werke: Weitere W.: s. Szinnyei; Slovenský biografický slovník; Markó; Új magyar életrajzi lex. – Nachlass: Magyar Országos Levéltár, Budapest, H.
Literatur: Biograph. Lex. Südosteuropas; Das geistige Ungarn; Szinnyei (m. W.); D. Csánki, in: Levéltári Közlöny 2, 1924, S. 205ff.; J. Holub, in: Századok 58, 1924, S. 833ff.; F. Rottler, in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös Nominatae 3, 1961, S. 121ff.; A. Pálóczi-Horváth, in: Magyar agrártörténeti életrajzok 3, ed. L. Für – J. Pintér, 1989; Slovenský biografický slovník 6, 1994 (m. W.); L. Markó u. a., A MTA tagjai 1825–2002, 3, 2003 (m. W. u. L.); Új magyar életrajzi lex. 6, 2007 (m. W. u. L.); Eötvös Loránd Tudományegyetem, Budapest, H.
Autor: (T. Harmat)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 186f.
geboren in Neutra
gestorben in Budapest

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