Szczepanik, Jan

Szczepanik Jan, Techniker, Erfinder und Lehrer. Geb. Rudniki, Galizien (Mostys’ka-Rudnyky, UA), 13. 6. 1872; gest. Tarnów (PL), 18. 5. 1926; röm.-kath.

Unehel. Kind von Marianna S., vermutl. Sohn eines Lemberger Arztes. – S. wuchs, früh verwaist, bei Verwandten in verschiedenen Orten auf. Er besuchte das Gymn. in Jaslo, absolv. 1891 das Lehrerseminar in Krakau (Kraków) und arbeitete anschließend als Dorfschullehrer in Potok, Lubatówka und schließl. in Korczyna, wo er Physik unterrichtete. Bei häufigen Besuchen der dortigen Weberei gewann er Einblick in dieses schwere Handwerk und erlernte dessen Grundlagen. Um den Arbeitsprozess zu erleichtern, wandte er bei der Webmusterfertigung die photograph. Methode an. Nach 1895 gab S. den Lehrerberuf auf und ging nach Krakau, um sich ganz den techn. Verbesserungen im Bereich der Weberei zu widmen. Zunächst konstruierte er einen photograph. Apparat, mit dessen Hilfe Musterschablonen kopiert werden konnten. Danach beschäftigte er sich mit der Automatisierung des von Joseph-Marie Jacquard 1805 erfundenen Webstuhls und verwendete dazu ein elektromagnet. Gerät, das als S.s Pionierleistung galt. Zur Schablonenerzeugung konstruierte er sog. Raster, die photogenaue Kopien der Musterzeichnung ermöglichten. Er entwickelte dazu ein Spezialobjektiv aus zylinderförmigen Linsen, das auch in der Kinematographie genutzt wurde und zur Bildkomprimierung sowie zur Bilderweiterung für die Projektion diente (1896 patentiert). 1896 gründete er, unterstützt vom galiz. Bankier Ludwig Kleinberg, die Société des inventions J. S. & Cie und 1898 ein eigenes Werk in Wien. Im selben Jahr traf er dort mit Mark Twain zusammen, der sich bes. für Erfindungen im Bereich der Weberei interessierte und i. d. F. im Magazin „The Century“ über den „österreichischen Edison“ berichtete. Nach geleistetem Wehrdienst ließ S. sich in Przemysl nieder, fuhr aber häufig nach Dtld., um auf dem Gebiet der Farbphotographie zu forschen. 1907 gründete er in Dresden ein kleines Laboratorium und wurde Mitgl. des Polytechn. Ver. in Lemberg (L’viv). Auf S. gehen über 50 Erfindungen zurück, die große Aufmerksamkeit erregten und in Europa, den USA und Japan patentiert wurden. Dazu zählten u. a. sein Telektroskop, das mittels Strom die Farbbildübertragung über längere Distanzen ermöglichte (1897 in Großbritannien patentiert), sowie Patente in den Bereichen Farbphotographie (1903), Farbfilm (1906) und Tonfilm (1918). Darüber hinaus erfand S. ein kugelsicheres Gewebe, das für Westen und zur Auskleidung von Kutschen verwendet wurde und dem span. Kg. Alfons XIII. das Leben rettete, sowie ein Gerät zur Vermeidung von Waggonzusammenstößen. Viele seiner Entdeckungen in den Bereichen Optik, Feinmechanik, Elektrotechnik, Chemie, Photo, Film etc. finden bis heute Verwendung, während S. selbst kaum noch bekannt ist. Er wurde mit dem Orden de Isabel la Católica ausgez., den St. Annen-Orden lehnte er ab. Für seinen Fotosculptor, der das Kopieren von Skulpturen ermöglichte, soll er von K. →Franz Joseph I. Pistolen erhalten haben. Seine Söhne Zbigniew S.-Dzikowski (1906–1969) und Bogdan S. (1908–1978) führten die Arbeiten ihres Vaters auf dem Gebiet des Farbfilms weiter.


Werke: Weitere W.: Herstellung von Jacquard-Patronen auf photograph. Wege (System J. S.), 1899; Discours sur la mise en carte par voie photographique. Système S., 1899; Elektr. Kartenschlag-Maschine. System J. S., 1900.
Literatur: NWT, 17. 3. 1898; Otto; PSB (m. L.); M. Twain, in: The Century 57, 1898, S. 100ff.; G. Kreusner, in: Vom Fels zum Meer 17, 1898, 2, S. 161ff. (m. B.); W. Jewsiewicki, J. S., wielki wynalazca, 1961; ders., Polski Edison J. S., 1972; C. Dolmetsch, „Unser berühmter Gast“. M. Twain in Wien, 1994, S. 198ff.; Mitt. Krzysztof Dabrowski, Wien.
Autor: (V. Šmerha)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 126f.
geboren in Rudniki
gestorben in Tarnów

Lifeline