Swoboda, Wenzel

Swoboda (Svoboda) Wenzel (Václav), Schauspieler, Sänger und Theaterdirektor. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 27. 9. 1772; gest. Wien, 14. 9. 1822.

Sohn eines Dienstboten und Glöckners der Prager St. Valentinskirche, verheiratet mit Eleonore S., geb. v. Danner (gest. 1817). – S. war spätestens ab 1790 Mitgl. des utraquist. Vaterländ. Theaters in Prag, an dem er zunächst im Fach der 2. Liebhaber und Intriganten in tschech.sprachigen Vorstellungen auftrat. Bald zeigte sich sein außerordentl. Talent für kom. Rollen, die er dann auch in dt.sprachigen Vorstellungen übernahm. 1794 wurde er 1. Komiker und entwickelte sich zum ersten bedeutenden Vertreter dieses Rollenfachs in der Geschichte des tschech. Berufstheaters. Häufig verkörperte S. den Kasperl in Sing- und Lustspielen, die aus dem Repertoire des Wr. Theaters in der Leopoldstadt übernommen wurden, stand aber auch als Papageno in Mozarts „Zauberflöte“ und als Metallio in Franz Xaver Süßmayers „Der Spiegel von Arkadien“ auf der Bühne. Das Singspiel „Hanns Klachel von Przelautsch“ von Karl Franz Guolfinger v. Steinsberg und František Vincenc Tucek und dessen Fortsetzungen gaben ihm Gelegenheit zur Schöpfung des Typs des dümml. tschech. Burschen vom Lande, den er später auch in Wien darstellte. 1799 gründete S. gem. mit Václav Tham eine dt. Schauspielerges., die in Reichenberg (Liberec) und Grottau (Hrádek nad Nisou) spielte, kehrte gegen Ende des Jahres an das Vaterländ. Theater zurück, wechselte aber bald zur Ges. J. F. Küblers, mit der er 1800 in Pilsen (Plzen) und 1802 in Leitmeritz (Litomerice) auftrat. 1802–04 war er in Brünn (Brno) bei J. Rothe engag., anschließend wurde er in Prag Regisseur am zunächst zweisprachigen, später fast ausschließl. dt.sprachigen Kleinseitner Theater, mit dessen Ensemble er in den Sommermonaten auch in Teplitz (Teplice) wirkte. Nach Auflösung des Theaters 1811 trat er kurzzeitig am Prager Ständetheater auf und wechselte 1812 gem. mit seiner Frau an das Theater in der Leopoldstadt, wo er 1814 Regisseur und 1821 Mitdirektor wurde. In Wien konnte sich S., der auch ein guter Sänger (Bass) war, neben Publikumslieblingen wie Johann Laroche u. a. deshalb behaupten, weil er seinen Prager Dialekt als kom. Mittel einzusetzen wusste. Die Wr. Kritik schätzte zudem sein Talent, die Komik mancher Figuren mit dem Rührseligen zu verbinden. Führend blieb S. in seinem Fach bis zum Auftreten →Ignaz Schusters (1813) und →(Josef) Karl Schikaneders (1817), danach fand er v. a. als Regisseur Anerkennung. Bis 1821 spielte er auch Charakterrollen, in denen sein Dialekt allerdings nicht immer geduldet wurde. S.s Spiel schöpfte aus den Traditionen der Stegreifkomödie und bestach durch komödiant. Verve, eine fast tänzer. Bravour der Bewegung und starke Übertreibung in Kostüm, Mimik und Gestik. Er war ein schlagfertiger Improvisator von Extempores und mim. Lazzi und wurde als Ausnahmeerscheinung in seinem Fach selbst von Johann Friedrich Reichardt, Goethe, Iffland und dem Weimarer Hg. Carl August bewundert.


Werke: Weitere Hauptrollen: Zumio (W. Müller, Die Zauberzither); Kasperl (ders., Die Teufelsmühle am Wienerberg); Pedrillo (W. A. Mozart, Die Entführung aus dem Serail); Hanns (J. F. Kringsteiner, Hanns in Wien); Jodel (E. Schikaneder – J. J. Haibel, Der Tyroler Wastl); Tischler Simon (L. Huber – W. Müller, Die unruhige Nachbarschaft); Seltenau (A. Bäuerle, Die Fremden in Wien). – Publ.: Rosalinde oder die Macht der Liebe, Urauff. 1813 (Singspiel, Musik: F. A. Hoffmeister).
Literatur: Národní listy, 3. 5. 1889; Lidová demokracie, 28. 10. 1962; Národní divadlo; Wurzbach (s. u. Wenzel Alois S.); Allg. dt. Theater-Anzeiger 3, 1811, S. 81; J. v. Menner, in: Theater-Ztg. 5, 1812, S. 30f., 39, 52; F. B. Mikovec, in: Bohemia 33, 1860, 2. Semester, S. 161; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 2, 1885, S. 298f.; A. V. Kraus, Goethe a Cechy, 1896, S. 21f.; J. F. Reichardt, Vertraute Briefe ... 1808 und ... 1809, ed. G. Gugitz, 1–2, 1915, s. Reg.; Briefwechsel des Hg.-Großhg. Carl August mit Goethe, ed. H. Wahl, 1, 1915, S. 345f., 472, 2, 1915, S. 58, 344; H. Ankert, 100 Jahre Leitmeritzer Stadttheater, 1922, S. 2; J. Vondrácek, Dejiny ceského divadla 1, 1956, s. Reg.; R. Angermüller, W. Müller und „sein“ Leopoldstädter Theater, 2009, s. Reg.
Autor: (A. Scherl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 63, 2012), S. 89f.
geboren in Prag
gestorben in Wien

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