Stumpf, Franz

Stumpf Franz, Politiker. Geb. Sablat, Böhmen (Záblatí, CZ), 30. 3. 1876; gest. Innsbruck (Tirol), 28. 2. 1935; röm.-kath.

Sohn eines Armeewundarztes. – Nach Besuch des Gymn. in Salzburg und Hall (Hall in Tirol) stud. S. ab 1894 an der Univ. Innsbruck Physik und Chemie; 1899 Lehramtsprüfung und Dr. phil. Danach absolv. er das Praktikum am Gymn. in Bozen (Bolzano) und wurde 1900 Lehrer am Landesgymn. in Mödling. 1904–05 stud. S. an der TH in Wien und war 1905–18 Prof. am nö. Landeslehrerseminar. Bereits damals mit der christl.sozialen Idee in Berührung gekommen, verzichtete er auf eine wiss. Karriere, wandte sich der Politik zu und gehörte ab 1907 dem Abg.haus und ab 1908 dem Tiroler LT an. 1914 in den Tiroler Landesausschuss berufen, erwarb er sich während des 1. Weltkriegs große Verdienste um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung und um die Durchführung notwendiger Straßenbauten. Nach dem Krieg war S. 1918 Mitgl. des Tiroler Nationalrats und Vollzugsausschusses, 1918/19 Mitgl. der Provisor. und der Konstituierenden Nationalversmlg. Im Februar 1919 legte S. sein Nationalratsmandat nieder und wurde im Juni LHptm.stellv. von Tirol. In dieser Funktion gelang es ihm, seine polit. Stellung durch großes Engagement in der Ernährungspolitik, aber auch für die Kriegsopfer auszubauen. Nach seiner Wahl zum LHptm. im Juni 1921 trat S. für den Anschluss an Dtld. ein und wurde zum Initiator der Abstimmung vom April 1921, bei der 98,8% für die Vereinigung mit dem Dt. Reich votierten. In den 1920er-Jahren kritisierte S. immer wieder die faschist. Entnationalisierungspolitik in Südtirol, allerdings blieben ihm später aufgrund des Nahverhältnisses der Heimatwehr zum italien. Faschismus und der Annäherung des Ständestaats an Mussolini die Hände gebunden. Einen wesentl. Aspekt seiner Politik stellte S.s Verhältnis zur Heimatwehr dar, die er in den 1920er-Jahren vorbehaltlos unterstützte. So hatte er bereits 1923 Vorbereitungen der Heimatwehr für die Niederschlagung von Unruhen angeordnet, die anlässl. der Brechung des Verkehrsstreiks 1927 umgesetzt wurden. Lange erkannte er nicht, dass die Heimatwehr sich als eigenständige polit. Kraft an das faschist. Italien anlehnte. Erst nach den antidemokrat. Korneuburger Eiden (1930) ging S. auf Distanz und verhinderte 1934 einen Putschversuch der Tiroler Heimatwehr. Bei der Regierungsbildung 1934 gelang es S., deren Einfluss in Regierung und LT zu reduzieren. Dem autoritären Ständestaat begegnete er zurückhaltend und war nicht bereit, die Führung der Vaterländ. Front in Tirol zu übernehmen. Die polit. Kämpfe hatten die Gesundheit S.s jedoch zerrüttet, sodass er sich von einer Herzerkrankung 1932 nie mehr gänzl. erholte. Als realitätsbezogener Politiker, den wirtschaftl. und soziale Probleme stärker interessierten als ideolog. Fragen, unterschätzte auch er die Bedrohung durch den Nationalsozialismus, wie er andererseits die von der Sozialdemokratie ausgehende Gefahr überschätzte. Trotzdem anerkannte er den moderaten Stil der Tiroler Sozialdemokraten, weshalb er ihnen 1934 ein Mandat im ständestaatl. Tiroler LT überließ. S.s Nachlass befindet sich im Tiroler LA.


Literatur: Tiroler Anzeiger, 28. 2. 1935 (m. B.), 1., 2. 3. 1935; Innsbrucker Ztg., 1., 2. 3. 1935; Volksztg., 1. 3. 1935; R. Schober, Geschichte des Tiroler LT im 19. und 20. Jh., 1984, S. 535 (m. B.); ders., in: H. Bachmann, Kundl, (1986), S. 686ff. (m. B.); H. Winkler, in: Kundl Life, 1996, F. 3, S. 6 (m. B.); G. Messner, LHptm. Dr. F. S. und die Tiroler Heimatwehr, phil. DA Innsbruck, 2007; Tiroler LA, Innsbruck, Tirol.
Autor: (R. Schober)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 63, 2012), S. 3f.
geboren in Záblatí
gestorben in Innsbruck

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