Stubenrauch, Moriz von

Stubenrauch Mori(t)z von, Rechtswissenschaftler und Politiker. Geb. Wien, 22. 9. 1811; gest. Ober St. Veit, NÖ (Wien), 31. 8. 1865 (Selbstmord).

Neffe des Malers Philipp v. S. (s. d.). – S. stud. moderne und oriental. Sprachen sowie Jus an der Univ. Wien, 1835 Dr. jur., absolv. 1832–34 seine Gerichtspraxis und war 1833–36 auch Konzeptsbeamter bei der nö. Kammerprokuratur. 1836 wurde er Adjunkt an der Univ. Wien, 1838 Prof. des poln. Rechts, Verfahrens- und Wechselrechts an der Univ. Lemberg, 1839–49 Prof. für österr. Zivilrecht an der Theresian. Ritterakad. in Wien, ab 1849 lehrte er als o. Prof. an der Univ. Wien Verfassungs-, Verwaltungs-, Handels- und Wechselrecht sowie Volkswirtschaftspflege und fungierte 1850/51, 1856/57 sowie 1862/63 als Dekan. Parallel dazu war S. ab 1854 als Strafverteidiger tätig und hielt ab 1858 Vorlesungen an der Wr. Handelsakad. S. war ein äußerst vielseitiger Jurist: Mit seinem „Commentar zum österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche“ (3 Bde., 1854–58, 8. Aufl. 1902–03) wurde er Wegbereiter der Hist. Rechtsschule; mit seinem „Handbuch der österreichischen Verwaltungs-Gesetzkunde“ (2 Bde., 1852, 3. Aufl. 1861) war er maßgebl. auf dem Gebiet des öff. Rechts wiss. tätig. Ferner wurde S. zu zahlreichen Gesetzgebungsarbeiten hinzugezogen. Bes. bemühte er sich um das Urheberrecht, dessen internationale Aspekte er auf dem Brüsseler Kongreß (1858) behandelte; auch am dt. Entwurf von 1862 war er beteiligt. 1840–49 Mithrsg. der „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde“ (ab 1846 „Oesterreichische Zeitschrift für Rechts- und Staatswissenschaft“), im Revolutionsjahr 1848 von März bis Juni gem. mit Heyssler (s. d.) Red. der „Wiener Zeitung“, gründete er 1850 die „Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung“, die er gem. mit J. Glaser (s. d.) bis 1863 red., 1856 die „Oesterreichische Zeitschrift für innere Verwaltung“, die er bis 1860 als Red. betreute. S. entwarf 1849 als Mitgl. der Komm. für die Wr. Gmd.ordnung das Statut für den Wr. Gmd.rat, dem er selbst ab 1849 angehörte und in dem er bes. in der Ära J. K. Frh. v. Seillers (s. d.) großen Einfluß auf die Kommunalpolitik ausübte. Im Vormärz als zu liberal, nach 1861 als zu konservativ kritisiert, ist er wohl als Mann der Mitte zu bezeichnen. In Künstler- und Literatenkreisen aufgewachsen und bis zuletzt gerngesehenes Mitgl. der gehobenen Ges., war S. u. a. Bibliothekar im jurid.-polit. Lesever., Mitgl. der Ges. der Musikfreunde, des Shakespeare-Clubs und Kassier im Wr. allg. Hilfs- und Sparver. Die Spielschulden seines ältesten Sohnes trieben ihn dazu, Geld des Sparver. zu unterschlagen; nach Bekanntwerden der Affäre nahm er sich gem. mit seiner Frau das Leben.


Werke: Weitere W.: s. u. Dölemeyer; Ogris.
Literatur: WZ, 2., NFP, 3., Das Vaterland, 5. 9. 1865; ADB; Stern–Ehrlich, S. 182; Wurzbach; B. Dölemeyer, in: Juristen in Österr., 1987, S. 156ff. (m. W.); M. Stolleis, Ges. des öff. Rechts 2, 1992, S. 309; W. Ogris, in: ders., Elemente europ. Rechtskultur, ed. Th. Olechowski, 2003, bes. S. 355f., 388 (m. W.); UA, Wien.
Autor: (Th. Olechowski)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 437
geboren in Wien
gestorben in Wien

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