Straucher, Benno

Straucher Benno, Politiker und Jurist. Geb. Rohozna, Bukowina (Cernivci-Rohizna, Ukraine), 11. 8. 1854 (1852); gest. Cernovcy, UdSSR (Cernivci, Ukraine), 5. 11. 1940; mos.

Stiefsohn eines Kaufmanns. – S. besuchte das Gymn. in Czernowitz und stud. ab 1872 Jus an der Univ. Wien, 1880 Dr. jur. der Univ. Czernowitz, und wirkte danach als Rechtsanwalt in Czernowitz. 1882 Mitgl. des Vorstands der dortigen jüd. Kultusgmd., fungierte S. 1904–28 mit zwei kurzen Unterbrechungen als Präs. und ab 1920 auch als Gerent (Dir.) der Kultusgmd. 1884–1930 war er (mit Unterbrechungen) Mitgl. des Gmd.rats, daneben 1900–18 Abg. im Bukowinaer LT. 1897–1914 war er Abg. zum RR, wo er zunächst als unabhängiger Mandatar agierte, 1907 jedoch gem. mit Stand, Gabel (beide s. d.) und Arthur Mahler den Jüd. Klub bildete, dessen Vorsitz er bis 1911 führte. Weitere Funktionen hatte er als Stadtanwalt von Czernowitz, als Dir. und Anwalt der Bukowinaer Sparkasse, als Verw.R. der Aktien-Bierbrauereiges., als Mitgl. des Landesschulrats (ab 1905) sowie ab 1904 als k. M. der HGK Czernowitz inne. Bereits 1901 hatte er mit Mayer Ebner den Jüd. Volksver. gegr., war ab 1906 Vors. der Jüd. Nationalpartei und rief 1909 die Z. „Die Volkswehr“ ins Leben. S., der sich 1899 für die Revision des Urteils im Ritualmordprozeß gegen Leopold Hilsner eingesetzt hatte, trat für einen Diasporanationalismus, somit für eine Anerkennung der Juden als Nation, ein, grenzte sich aber vom polit. Zionismus ab. Als Gegner des Jidd. verweigerte S. 1908 den Organisatoren der jüd. Sprachkonferenz das Jüd. Nationalhaus in Czernowitz als Tagungsort. Ab 1911 stand er in Konfrontation zu den Zionisten um L. Kellner (s. d.) und Ebner. 1914–19 lebte S. in Wien; nach seiner Rückkehr in das nunmehr rumän. Cernauti (Cernivci) nahm er seine Tätigkeit bei der Kultusgmd. wieder auf und war 1920–32 Abg. zum rumän. Parlament. Aufgrund seiner zahlreichen Funktionen dominierte S. die polit. Vertretungen der Juden in der Bukowina jahrzehntelang auf autoritäre Weise.


Literatur: Wininger; H. Sternberg, Zur Geschichte der Juden in Czernowitz, 1962, S. 25f.; A. Gaisbauer, Davidstern und Doppeladler, 1988, s. Reg.; D. Sha‘ary, in: Czernowitz, ed. H. Heppner, 2000, S. 118ff.; M. Hausleitner, Die Rumänisierung der Bukowina, 2001, s. Reg.; M. Winkler, Jüd. Identitäten im kommunikativen Raum, 2007, S. 72f., 128f.; Materialiensmlg. ÖBL, UA, beide Wien.
Autor: (E. Adunka)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 372f.
geboren in Tschernowitz
gestorben in Tschernowitz

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