Streicher, Andreas

Streicher (Johann) Andreas, Musiker, Instrumentenbauer und Mäzen. Geb. Stuttgart, Württemberg (Dtld.), 13. 12. 1761; gest. Wien, 25. 5. 1833; evang. AB.

Sohn eines 1765 verstorbenen Steinhauers, ab 1794 verehel. mit Nan(n)ette S., Schwager von Matthäus Andreas Stein, Vater von Johann Bapt. (alle s. d.) und Sophie S., verehl. Pauer, Großvater von Emil S. (s. u. Johann Bapt. S.) und E. Pauer, Urgroßvater von Theodor S. (beide s. d.). – Wegen der ärml. Lebensumstände seiner Mutter wurde S. ab seinem neunten Lebensjahr im Waisenhaus erzogen, wo er 1772–75 eine bescheidene Schulbildung erwarb. Da schon in dieser Zeit seine musikal. Begabung auffiel, kehrte er in das Haus der Mutter zurück, wo er sich hauptsächl. autodidakt. das Klavierspiel aneignete, und unternahm bald eigene kompositor. Versuche. Ab 1778 erteilte er Klavierunterricht und suchte Kontakt zu Musikschülern der Hohen Karlsschule in Stuttgart. Bei einer öff. med. Disputation erlebte er 1780 einen Auftritt Friedrich Schillers. Dieser plante das Großherzogtum Württemberg zu verlassen, wobei ihn S. mit eigenen Mitteln unterstützte. Nach der gem. Flucht blieb er ab 1782 als Musikpädagoge in Mannheim und übersiedelte 1786 nach München, wo 1792 sein Ballett „Das Bouquet“ zum Namensfest des Kurfürsten Karl Theodor aufgef. wurde. Als Bearb. von Klavierauszügen für den Musikverleger Johann Michael Götz sicherte er sich 1785–91 ein bescheidenes Auskommen. Nach seiner Heirat zog S. nach Wien, wo seine Frau mit ihrem Bruder Matthäus Andreas Stein die Klavierbaufa. ihres Vaters Johann Andreas Stein weiterführte. S. unterrichtete weiterhin, u. a. Franz Xav. Mozart. Nach der Trennung der beiden Fa.teilhaber 1802 begann er sich auch mit der Technik des Klavierbaus zu befassen und konnte später nicht nur die Steinsche Mechanik vervollkommnen, sondern auch Klangvolumen und Tonumfang der Instrumente bereichern. Über seine industrielle Tätigkeit hinaus förderte S., der als Erfinder der Wr. Mechanik gilt, junge Musiker. Im Konzertsaal des Fa.sitzes in Wien 3 veranstaltete er musikal. Mittagsunterhaltungen, die einen ausgez. Ruf genossen. Zu den Persönlichkeiten, die als Interpreten oder Zuhörer daran teilnahmen, gehörten u. a. Erzhg. Rudolf, Salieri (beide s. d.), Haydn und Beethoven (s. d.), mit dem er seit 1798 freundschaftl. verbunden war. S. setzte sich für die Vermittlung von dessen Werken ein und baute 1817 ein S.-Klavier für den mittlerweile tauben Komponisten um. Schon früher wirkte S. an der Planung der Ges. für Musikfreunde mit. 1818 richtete S. eine Singschule für die Wr. evang. Gmd. ein, den späteren Wr. evang. Singver. Als um 1820 Nachrichten über den unwürdigen Zustand von Schillers Weimarer Grabstätte bekannt wurden, regte S. die Umbettung des Leichnams in eine Einzelgruft an. Sein Buch über die Flucht mit Schiller blieb in manchen Teilen unausgeführt und wurde erst nach seinem Tod veröff. Trotz mancher Gedächtnisfehler stellt es eine unentbehrl. Quelle dar, die mehrere Neuaufl. erfuhr.


Werke: Kurze Bemerkungen über das Spielen, Stimmen und Erhalten der Fortepiano …, 1801, Nachdruck 1987; Melodienbuch zum Gebrauche bey dem öff. Gottesdienste der Evang. Gmd., 1824; Schiller’s Flucht von Stuttgart und Aufenthalt in Mannheim von 1782 bis 1785, 1836; A. S.s Schiller-Biographie, ed. H. Kraft, 1974 (m. B.); J. A. und Anna Maria (Nannette) S., Gesamtausg. der Originalwerke, ed. Ch. Öhm-Kühnle, 10 Bde., 2005–06.
Literatur: Czeike; Killy; Kosch; MGG; oeml; Riemann, 11. Aufl., Personentl.; Wurzbach; Dt. Kunst- und Musikztg. 20, 1893, S. 192; H. Rollett, Begegnungen, 1903, S. 21ff.; Th. Bolte, Die Musikerfamilien Stein und S., 1917, S. 12, 17ff. (m. B.); W. Lütge, in: Der Bär, 1927, S. 53ff.; E. Castle, in: Chronik des Wr. Goethe-Ver. 57, 1953, S. 12ff.; F. J. Hirt, Meisterwerke des Klavierbaus, 1955, S. XXV, 103, 109, 113, 336f., 458ff. (m. B.); H. Schneider, Der Musikverleger J. M. Götz (1740–1810) und seine kurfürstl. privilegirte Notenfabrique 1–2, 1989, s. Reg.; L. v. Beethoven, Briefwechsel Gesamtausg., ed. S. Brandenburg, 1–7, 1996–98, s. Reg.; „Diesem Menschen hätte ich mein ganzes Leben widmen mögen“. Beethoven und die Wr. Klavierbauer Nannette und A. S., ed. U. Goebl-Streicher u. a., Bonn 1999 (Kat., m. B.); P. Clive, Beethoven and his world, 2001, s. Reg.
Autor: (H. Jacob)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 386f.
geboren in Stuttgart
gestorben in Wien

Lifeline