Steffen, Karl Emanuel

Steffen Karl Emanuel, Techniker und Industrieller. Geb. Hohenelbe, Böhmen (Vrchlabí, Tschechien), 9. 1. 1851; gest. Wien, 7. 4. 1927.

Sohn eines Privatiers. S. stud. 1869/70 an der TH Brünn und 1870–72 am Wr. polytechn. Inst. u. a. Maschinenbau. Zunächst in Ind.betrieben in Prag und Wien tätig, gründete er nach einem etwa einjährigen Aufenthalt in den USA ein techn. Büro in Wien. S. konstruierte einen neuartigen Martinofen zur Stahlherstellung, wandte sich aber bald der Rübenzuckerind. zu. Er verkörperte den Typus des prakt. orientierten Ing.unternehmers, dessen Erfolg v. a. auf Verfahrensinnovationen beruhte, die den wirtschaftl. Bedürfnissen der Zeit entsprachen. Er war u. a. Verwaltungsratsmitgl. und Hauptaktionär der AG der Chropiner Zuckerfabrik (Mähren) und wurde 1889 mit der Modernisierung der Fabriken der Ung. Zuckerind. AG in Szerencs und Botfalu (Bod) beauftragt, deren Verwaltungsrat er angehörte. S. entwickelte rund 50 Verfahren, die in über 100 Anlagen in der Monarchie, aber auch in Dtld., England, Frankreich, Holland und den USA verwendet wurden. Aufsehen erregte sein „Ausscheidungsverfahren“ (S.-Verfahren oder Kalkseparation), das die Melasse-Entzuckerung stark vereinfachte. Er verkaufte seine Erkenntnisse an die Braunschweig. Maschinenbauanstalt, die sie 1883 patentieren ließ. 1887 entwickelte er das Wannen-Waschverfahren, eine Art der Affinage des rohen Zuckers in einer Wanne ohne Verwendung einer Zentrifuge. Diese Technol. wurde zunächst in Frankreich, dann weltweit eingeführt. Das S.sche Brühverfahren, das er ab 1903 ausarbeitete, ermöglichte die Gewinnung des Rübensafts durch Abbrühen und i. d. F. die genauere Bestimmung des Zukkers in den frischen Rübenschnitzeln. Weiters entwickelte S. u. a. Verfahren zur Herstellung von Trockenkartoffeln und Mastfutter, zur Aufarbeitung von Kartoffeln auf Stärke, von Hefe aus Melasse, zum Aufschluß von Stroh und Maiskolben sowie die dafür nötigen Apparate und Betriebseinrichtungen. Seine Methode, durch Nitrierung aus Melasse Glyzerin zu gewinnen, das als Grundstoff für Nitroglyzerin verwendbar war, erlangte während des 1. Weltkriegs Bedeutung. Zuletzt wurde er von seinem Sohn Carl Johann S. (geb. Wien, 6. 8. 1874; gest. ebd., 4. 4. 1926) unterstützt, mit dem er ein patentiertes Verfahren zur Erzeugung eines kalkarmen und zuckerreichen Saccharats ausarbeitete.


Literatur: NFP, 9. 4. 1927; Heller 4; J. Hucek, Verzeichnis der Zuckerfabriken … in der Oesterr.-Ung. Monarchie …, 1890, s. Reg.; Verzeichnis der an der k. k. TH in Brünn thätigen Lehrkräfte, Beamten und Diener … 1849/50 bis 1898/99 … und der in dieser Zeit eingeschriebenen Hörer, 1899; Das S.’sche Brühverfahren und dessen Bedeutung für die dt. Zuckerind. und Landwirtschaft, 1907; Listy Cukrovarnické 45, 1926/27, S. 368; Österr. Chemikerztg. 1927, S. 95; Cukoripar 44, 1991, Nr. 3, S. 86; Moravský zemský archiv, Brno, Tschechien; Techn. Mus. (m. B.), TU, WStLA, alle Wien; Mitt. Leopoldine Überreiter, Wien.
Autor: (G. Luxbacher)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 136
geboren in Vrchlabí, kr. Královéhradecký
gestorben in Wien

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