Steidle, Richard

Steidle Richard, Politiker und Jurist. Geb. Untermais, Tirol (Merano/Meran, Italien), 20. 9. 1881; gest. KZ Buchenwald, Dt. Reich (Dtld.), 30. 8. 1940 (ermordet).

Sohn eines Kaufmanns. Nach Absolv. des Gymn. stud. S. 1901–04 Jus an der Univ. Innsbruck; 1908 Dr. jur. Im 1. Weltkrieg wegen Untauglichkeit als Militär-Gerichtsakzessist verwendet, eröffnete er nach Kriegsende eine Rechtsanwaltskanzlei in Innsbruck und war 1918/19 Abg. der prov. Landesversmlg., ab 1919 Abg. des Tiroler LT sowie 1919–21 Landesrat. Innerhalb der Tiroler Volkspartei zählte S. zu den Befürwortern eines Anschlusses an das Dt. Reich. Antidemokrat., antiparlamentar. und antimarxist. eingestellt, engagierte er sich für dt.nationale Ziele und trat auch dem Alldt. Verband bei. Aufgrund der revolutionären Situation in Bayern wurde S. im Februar 1920 von Schraffl (s. d.) mit der Ausarbeitung einer Tiroler Wehrverfassung beauftragt. Im Mai gründete er die rasch anwachsende Tiroler Heimatwehr, die anfängl. mit den bayer. Einwohnerwehren kooperierte und sich vorwiegend dem Kampf gegen den Marxismus widmen sollte. Ab 1923 war S. auch Vors. der Vereinigung der Alpenländ. Schutzverbände, 1926–30 gem. mit Walter Pfrimer Bundesführer des Österr. Heimatschutzes sowie 1932–34 Bundesführerstellv. Nach den Ereignissen um den Justizpalastbrand im Juli 1927 und der Brechung des Verkehrsstreiks in Tirol erreichte S. als Landesleiter der Tiroler Heimatwehr den Höhepunkt seiner Macht und verfolgte mit Kontakten nach Italien und Ungarn auch einen eigenständigen außenpolit. Kurs. Die antidemokrat. Korneuburger Eide der Heimwehr (Juni 1930) wurden in seinem Auftrag verf. Da dieses Programm zuwenig polit. Unterstützung fand, wurde S. kurz darauf als Bundesführer durch Ernst Rüdiger Fürst v. Starhemberg abgelöst. 1922–31 war S. Mitgl. des Bundesrats (1923–24 sowie 1928 Vors.), wurde jedoch 1930 wegen Meinungsdifferenzen aus der Bundesratsfraktion der CSP ausgeschlossen. 1933–34 nochmals Landesrat in Tirol, wurde er im Juni 1933 durch ein Attentat eines Nationalsozialisten schwer verletzt. 1933 amtierte er auch einige Monate als erster Sicherheitsdir. von Tirol und fungierte daneben ab November für sechs Monate als Bundeskoär. für Propaganda im Bundeskanzleramt, ehe er 1934 zum Gen.konsul in Triest ernannt wurde. S. wurde nach dem „Anschluß“ verhaftet, ins KZ Buchenwald abtransportiert und bei einem von der SS provozierten „Fluchtversuch“ erschossen.


Literatur: 15 Jahre Tiroler Heimatwehr, 1935, bes. S. 10f. (m. B.); W. Rebitsch, Die Volkswehr und das Bundesheer in Tirol von 1918 bis 1938 ..., phil. Diss. Innsbruck, 1976, S. 280ff.; L. Rape, Die österr. Heimwehren und die bayer. Rechte 1920–23, 1977, s. Reg. (m. B.); R. Schober, Die Tiroler Frage auf der Friedenskonferenz von Saint Germain (= Schlern-Schriften 270), 1982, s. Reg.; W. Wiltschegg, Die Heimwehr (= Stud. und Quellen zur österr. Zeitgeschichte 7), 1985, s. Reg.; V. Lösch, Die Geschichte der Tiroler Heimatwehr ... (1920–30), phil. Diss. Innsbruck, 1986, bes. S. 43f.; E. Fein – K. Flanner, Rot-weiß-rot in Buchenwald, 1987, S. 45, 287; Hdb. zur Neueren Geschichte Tirols 2/1, ed. A. Pelinka – A. Maislinger, 1993, s. Reg.; Die Matrikel der Univ. Innsbruck. Abt.: Rechts- und Staatswiss. Fak. 1, bearb. P. Goller, 1998, S. 439.
Autor: (Ch. Mentschl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 143
geboren in Meran
gestorben in Buchenwald

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