Soukup, František

Soukup František (Franz), Ps. Radim, Politiker, Rechtsanwalt und Journalist. Geb. Steinlhota, Böhmen (Kamenná Lhota, Tschechien), 22. 8. 1871; gest. Prag, Protektorat Böhmen und Mähren (Tschechien), 11. 11. 1940; röm.-kath., später konfessionslos.

– Sohn eines Gastwirts. S. stud. ab 1891 Jus an der Tschech. Univ. Prag, wurde jedoch wegen seines polit. und journalist. Engagements für die Fortschrittsbewegung 1892 relegiert und mußte sein Stud. 1895–96 an der Univ. Graz fortsetzen, ehe er 1899 an der Dt. Univ. Prag prom. 1895 beteiligte er sich am Manifest Ceské moderny. Zuvor Anhänger der Jungtschechen, trat er 1896 der tschech. Sozialdemokratie bei und stieg rasch in die Parteiführung auf, der er bis 1938 angehörte. Er vertrat seine Partei ab 1905 im Tschech. Nationalrat in Prag und 1904–38 im Ständigen Büro der II. Internationale in Brüssel. Seit dessen Gründung 1897 arbeitete er als Red. und einige Jahre auch als Parlamentsberichtserstatter für das Parteiorgan „Právo lidu“. Er begründete die Arbeiter-Akad. in Prag und war in der Freidenkerbewegung aktiv. Als Vertreter des nationalen, autonomist. Flügels gehörte S. zu den wichtigsten Propagatoren des Wahlrechtskampfs 1905 und war 1907–11 sowie 1913–18 RR-Abg. Ab 1900 zudem in Prag als Anwalt tätig, wurde er 1913 als erster Sozialdemokrat in die Prager Stadtverordnetenversmlg. gewählt. Für die Partei warb S. 1911 auch während einer viermonatigen Reise in die USA bei den dort lebenden Tschechen. Im November 1915 wurde er wegen der „Knopf-Affäre“ (er versuchte Direktiven für den tschech. Widerstand in seinen Mantelknöpfen nach Österr. zu schmuggeln) verhaftet. Ab Juli 1918 Sekr. des tschech. Nationalausschusses, verhandelte er im In- und Ausland über die polit. Nachkriegsordnung. Am 28. 10. 1918 rief er gem. mit Rašín (s. d.), Antonín Švehla und Jirí Stríbrný in Prag den tschechoslowak. Staat aus. Von November 1918 bis Juli 1919 kurzzeitig tschechoslowak. Justizminister, war er 1918–20 Mitgl. und Vizepräs. der Revolutionären Nationalversmlg., ab 1920 Mitgl. und Vizepräs., ab 1929 Präs. des Senats. Als engagierter Parlamentarier und Repräsentant der demokrat. Republik setzte er sich bes. für das sozialdemokrat. Genossenschaftswesen ein und veröff. zahlreiche polit. Broschüren sowie Werke zur Geschichte seiner Partei und der Tschechoslowakei, wobei v. a. sein zweibändiges Werk über die Staatsgründung, „28. ríjen 1918“ (1928), hervorzuheben ist. 1939 wurde S. zweimal von der Gestapo verhaftet und starb an den Spätfolgen der Verhöre.


Werke: s. u. Luft.
Literatur: Národní práce, 12. 11. 1940; Právo lidu, 24. 6., 27. 7., 11. 11. 1945; Freund, 1907 (m. B.); Otto; Otto Erg.Bd.; Dr. F. S., tribun lidu, ed. F. X. Ksandr, 1931; O. Urban, Die tschech. Ges. 1848–1918 (= Anton-Gindely-R. zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas 2), 1–2, 1994, s. Reg.; Z. Šolle, Století ceské politiky, 1998; Politická elita meziválecného Ceskoslovenska 1918–38, 1998 (m. B.); J. Tomeš u. a., Ceský biografický slovník XX. století 3, 1999; R. Luft, Parlamentar. Führungsgruppen und polit. Strukturen in der tschech. Ges. 1907–14, 2, phil. Diss. Mainz, 2001 (m. W. und L.); J. Tomeš, Prukopníci a pokracovatelé. Osobnosti v dejinách ceské sociální demokracie 1878–2003, 2004, S. 119 (m. B.); UA, Graz, Stmk.
Autor: (R. Luft)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 58, 2005), S. 434f.
geboren in Kamenná Lhota
gestorben in Prag

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