Spielmann, Johann

Spielmann Johann, Arzt und Psychiater. Geb. Gabel, Böhmen (Jablonné v Podještedí, Tschechien), 25. 7. 1820; gest. Karlsbad, Böhmen (Karlovy Vary, Tschechien), 21. 10. 1882.

Aus der Familie eines Brauereipächters stammend. S. absolv. die Gymn. in Böhm. Leipa (Ceská Lípa), Jungbunzlau (Mladá Boleslav) und Prag und stud. ab 1841 Phil. und Med. an der Univ. Prag; 1846 Dr. med., 1847 Dr. chir. Zunächst an der Abt. für innere Med. im AKH Prag unter J. v. Oppolzer (s. d.) tätig, führte ihn sein Interesse für Psychiatrie bereits 1847 in die Irrenanstalt in Prag, wo er ab 1852 mit der Funktion des Ersten Sekundararztes betraut wurde. In dieser Zeit sammelte S. intensiv Aufzeichnungen über den Behandlungsverlauf seiner Patienten und wurde alsbald zum Bahnbrecher der neuen Wiss. der Psychiatrie. Bereits im April 1853 verließ er das Inst. wieder, möglicherweise aus polit. Gründen, da er sich aktiv an der Revolutionsbewegung im Jahre 1848 beteiligt hatte. Aber auch Meinungsverschiedenheiten mit dem neuen Dir. sprachen für ein frühzeitiges Ausscheiden. Von 1855 bis zu seinem Tod arbeitete S. als prakt. Arzt in Tetschen (Decín), wo er v. a. psych. erkrankte Patienten betreute, ab 1864 war er auch Gmd.- und Bez.arzt. Im selben Jahr wurde S. in die Komm. für Reorganisation der Irrenanstalten in Böhmen berufen. Er vertrat die Ansicht, daß Geisteskranke am besten in der Familie gepflegt werden sollten und nur für absolut Hilflose oder abnorme Fälle die Aufnahme in eine Klinik gerechtfertigt sei. Bereits 1862 hatte er in Tetschen einen Turnver. gegr., in seiner Funktion als Mitgl. des Bez.schulrats (1871) unterstützte er mit seinen eigenen Mitteln kleine Landschulen und stellte Lehrmittel zur Verfügung. Seine einzige Monographie, „Diagnostik der Geisteskrankheiten. Für Ärzte und Richter“, 1855, richtete sich vornehml. an Ärzte, die keine Psychiater waren, und wurde ins Engl., Dän. und Russ. übers. In Rußland wurde sie sogar als Lehrbuch verwendet.


Literatur: Augsburger Allg. Ztg., 15. 11. 1882 (Beilage); Hirsch; Kreuter (m. L.); Wurzbach; Prager med. WS 7, 1882, S. 431; A. Meissner, Geschichte meines Lebens 2, 1884, S. 27; J. Bresler, in: Dt. Irrenärzte, ed. T. Kirchhoff, 2, 1924, S. 29ff.; UA, Praha, Státní oblastní archiv, Decín, beide Tschechien.
Autor: (L. Hlavácková)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 23f.
geboren in Jablonné v Podještědí
gestorben in Karlsbad

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