Seberini, Johann Michael

Seberini (Seberiny, Szeberényi, Szeberiny) Johann Michael (Ján Michal), Pfarrer und Theologe. Geb. Schemnitz/Selmeczbánya, Ungarn (Banská Štiavnica, Slowakei), 16. 2. 1825; gest. Wien, 21. 1. 1915.

Sohn von Johann (s. d.) und der Pfarrerstochter Esther, geb. Podhraczky de Nemes Podhradj, Bruder von Gustav Adolf (s. d.), Onkel von Ludwig Sigmund (s. u. Gustav Adolf S.), Cousin von Ludwig (s. d.) und von Andreas (Ondrej) S. (s. u. Ludwig S.); evang. AB. Er absolv. das Distriktualgymn. seiner Heimatstadt, stud. anschließend am evang. Kollegium in Eperies/Eperjes (Prešov) die Rechtswiss. und Theol. (1842–45), um nach abgelegten Examina (1845) sein Theol.Stud. an den Univ. in Jena und Berlin fortzusetzen (1845–47). Nach kurzer Tätigkeit als Hauslehrer wurde er 1849 zum Pfarrer der evang. Gmd. Deutsch-Pilsen (Nagybörzsöny), 1853 der Artikulargmd. in Egyházas-Mároth (Kostolné Moravce), schließl. 1857 zum Nachfolger seines verstorbenen Vaters in Schemnitz gewählt. Dort setzte er sich vehement für die Koordinierung der Gmd. im Sinne des Protestantenpatents von 1859 und für deren Angliederung an die neugegründete Patentalsuperintendenz des Superintendenten Kuzmány (s. d.) ein. Dadurch setzte er sich in den Gegensatz zu seiner Gmd., die in dem Konflikt zwischen Patentanhängern und -gegnern auf der Seite der Patentgegner (Autonomisten) stand. Von den Patentgmd. zum Konsistorialrat gewählt, lehnte es S. ab, die Ziele des Patents preiszugeben; die Berufung als Garnisonsprediger nach Wien (1860) befreite ihn aus diesem Konflikt. Zunächst als Supplent für die prakt.-theol. Lehrveranstaltungen an der Evang.- Theol. Fak. beauftragt, setzte es Kuzmánys Einfluß im Min. für Kultus und Unterricht durch, daß S. 1863 gegen den Widerstand des Prof.Kollegiums als sein Nachfolger am Lehrstuhl für Prakt. Theol. und Kirchenrecht ernannt wurde. Diese Ernennung markiert den Sieg des Neuluthertums über die liberale Theol., deren Einfluß in der Folge deutl. zurückgedrängt wurde. Der 1864 von der konservativ luther. Fak. in Rostock mit dem Ehrendoktorat ausgez. S. zog sich durch sein polem. Hauptwerk über den Pseudoprotestantismus die erbitterte Feindschaft der Liberalen zu, nicht zuletzt, weil er sich unmißverständl. für eine enge Verbindung von Staat und Kirche einsetzte und dem Landesherrn trotz dessen kath. Konfession ein landesfürstl. Episkopalrecht (im Sinne Friedrich Julius Stahls) einräumte, während die Liberalen die landesfürstl. Befugnisse auf eine allg. Kirchenhoheit beschränkten. Als Theol.Prof. und als Militärpfarrer (als Beirat im Reichskriegsmin. wurde ihm 1869 der Titel Militärsuperintendent verliehen) hat S. das Zusammenwirken von Kirche und Staat personifiziert. Sein Widerstand verhinderte die Integration der Militärseelsorge in den kirchenregimentl. Organismus. Sein Eintreten für den Ver. zur Abwehr des Antisemitismus (dessen Mitgl. er war) hat ihm gegen Ende seiner Lehrtätigkeit die Feindschaft der dt.nationalen Studentenschaft eingetragen.


Werke: W. (auch s. u. bei Slovenský biografický slovník): Eszmetöredékek a magyarhoni protestantismus jelen stadiumán, 1857, 2. Aufl. 1860; A császár-király és a reformata vallás, 1860; Antrittsrede ..., 1863; Der Pseudo-Protestantismus auf kirchenrechtl. Gebiete ..., 1865; Evang. Vorträge über Glauben und Geschichte des Christentums, 1886; Evang.-christl. Religionslehre, 1886; zahlreiche Predigten in dt., ung. und slowak. Sprache.
Literatur: Rieger; Szinnyei; Wurzbach; J. Zoványi, Magyarországi Protestáns Egyháztörténeti Lex., red. von S. Ladányi, 1977; K. Rajnoch, Wien im Geistesleben der Slowaken, Habil.Schrift Wien, 1986 (Typoskript); Slovenský biografický slovník ... 5, 1992; M. Kubica, Rod Seberiniovcov, 2. Aufl. 1993, S. 19ff.; Biograph.-bibliograph. Kirchenlex., hrsg. von F. W. Bautz und T. Bautz, 9, 1995; K. Schwarz, in: Kirche, Recht und Wiss. FS A. Stein, 1995, S. 231ff., 245ff.; ders., in: Presovské Evanjelické kolégium. Jeho miesto a význam v kultúrnych dejinách strednej Európy, 1997, S. 197ff.; Zeitenwechsel und Beständigkeit, hrsg. von K. Schwarz und F. Wagner (= Schriftenr. des UA, Univ. Wien 10), (1997), s. Reg. (mit Bild).
Autor: (K. Schwarz)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 74
geboren in Banská Štiavnica
gestorben in Wien

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