Schvarcz, Gyula

Schvarcz — Gyula (Julius) (Schwarz), Ps. Szent-Katolna, Georg Dahlen, Edgar Lartey, Staatswissenschaftler, Altertumsforscher und Politiker. Geb. Stuhlweißenburg (Székesfehérvár, Ungarn), 7. 12. 1838; gest. Budapest (Ungarn), 31. 1. 1900.

Sohn eines Off. Bereits in seinen frühen Kindertagen erhielt S. eine umfassende Bildung im Haus seines Großvaters, Mihály Horhy, des Begründers des rationellen landwirtschaftl. Betriebes in Ungarn. Nach dem Besuch der ersten sechs Kl. des Gymn. der Zisterzienser in Stuhlweißenburg (1848–54) beendete er 1856 seine Gymn.Ausbildung bei den Piaristen in Pest (Budapest). Im Anschluß daran stud. er an den Univ. Pest (1856–58), München (1858–59) und Berlin (1859–60) Jus, in Berlin auch griech. Philol. und theoret. Geol. Mit seiner Abh. „Ueber die paläontologischen Versuche des Empedokles“ wurde S. 1861 an der Univ. Jena zum Dr. phil. prom. Nach mehrjährigen Bildungsreisen u. a. nach Dtld., London, Paris, Belgien, Italien und Dänemark kehrte er schließl. nach Ungarn zurück, wo er sich zunächst ganz der Wiss. widmete. S., der anfängl. zahlreiche Publ. über naturwiss. Themen veröff., verf. ab 1861 unter dem Einfluß seiner gebildeten Mutter Katalin S. v. a. kulturpolit. Schriften. 1864 korr. Mitgl. der Ung. Akad. der Wiss. Ab Mitte der 60er Jahre wandte sich S. der Politik zu, wobei er sein Hauptaugenmerk auf das damals erhebl. Defizite aufweisende öff. Unterrichtswesen in Ungarn legte. Um seinen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, gründete S. 1865 das Wochenbl. „Új korszak“ (Neue Ära). Nachdem er 1868 vergebl. versucht hatte, die „Partei der 48er“ in eine polit. Gruppierung mit ausschließl. kulturpolit. Zielrichtung umzuwandeln, wurde er noch im selben Jahr Mitgl. der Liberalen Partei und war bis 1872 sowie 1875–78 und 1887–94 Abg. zum Ung. Reichstag. In dieser Funktion war er zunächst Mitgl., bald darauf Präs. des Ausschusses für Unterricht, wobei es ihm gelang, viele Reformen im Unterrichtswesen (u. a. getrenntes Prom.Recht in Rechts- und Staatswiss., Reform der Stud.Gebühren und Schülerwettbewerbe in griech. Sprache) und in der öff. Verwaltung (Gründung eines Verwaltungsgerichtshofes, Trennung des Landwirtschaftsmin. vom Handelsmin., Einführung eines progressiven Steuersatzes, Reform des Wahlrechts usw.) anzuregen. Seit der Mitte der 70er Jahre galt sein wiss. Hauptinteresse dem Staatswesen des antiken Griechenland. S. versuchte dabei, gegen die damals unbeschränkte Autorität griech. Philosophen und Historiker, wie v. a. Aristoteles und Herodot, anzukämpfen, wobei seine polem. Schriften im In- und Ausland heftige kontroversielle Diskussionen auslösten. Nach seinem Austritt aus dem Parlament und der Liberalen Partei 1894 bekleidete S. eine o. Professur für Geschichte des Altertums an der Univ. Budapest.


Werke: W. (s. u. in Pallas): Földtani kísérletek a hellenségnél Nagy Sándor koráig (Geolog. Versuche des Hellenismus bis zur Epoche Alexanders des Großen), 1861, 2. Aufl. 1863; On the failure of geological attempts made by the Greeks, 1862, 2. Aufl. 1868; Magyar író külföldön (Ein ung. Schriftsteller im Ausland), 2 Bde., 1865; Közoktatásügyi reform mint politikai szükséglet (Unterrichtsreform als polit. Notwendigkeit), 2 Bde., 1865–68; Kritik der Staatsreformen des Aristoteles, 1870, 2. Aufl. 1891; Magyarország helyzete a reálunióban (Die Lage Ungarns in der Realunion), 1870; Államintézményeink és a kor igényei (Unsere Staatseinrichtungen und die Anforderungen unserer Epoche), 2 Bde., 1870–75; Die Demokratie, 2 Bde., 1877–89; Zur Reform des europ. Unterrichtswesens, 1879; A politika elemei, 1880–82, dt. Ausgabe: Elemente der Politik. Versuch einer Staatslehre auf der Grundlage der vergleichenden Staatsrechtswiss. und Culturgeschichte, 1895; A miniszteri feleloség eredete az európai alkotmánytörténelemben (Der Ursprung der ministeriellen Verantwortung in der europ. Verfassungsgeschichte), 1883; Sallustius államformái és a görögök politikai irodalma (Sallusts Staatsformen und die polit. Literatur der Griechen), in: Értekezések a társadalmi tudományok körébol 7, 1885; Aufzeichnungen über die europ. Ges., 1885; Montesquieu und die Verantwortlichkeit der Räthe des Monarchen in England, Aragonien, Ungarn, Siebenbürgen und Schweden (1089–1748), 1892; Görög történelem. Különös tekintettel az athenei történelemre és ennek forrására (Griech. Geschichte. Unter bes. Berücksichtigung der Geschichte Athens und deren Quellen), 1900; usw.
Literatur: Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex.; Pallas (mit Werksverzeichnis); Révai; Szinnyei; Wininger; Wurzbach; J. H. Schwicker, J. S. und seine Schriften, 1882; ders., H. Taine und J. S., 1888, ung. Ausg. 1889; G. Hornyánszky, S. G. emlékezete, 1901; L. Nagy, S. G. mint kultúrpolitikus. Emlékbeszéd, 1902; G. Hornyánszky, S. G. r. tag emlékezete, in: A Magyar Tudományos Akadémiai elhúnyt tagjai fölött tartott emlékbeszédek 17, 1914, n. 15, S. 315ff. (mit Bild).
Autor: (P. Fónyad)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 435f.
geboren in Stuhlweißenburg
gestorben in Budapest

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