Schwicker, Johann Heinrich

Schwicker Johann Heinrich (János Henrik), Historiker, Lehrer und Schriftsteller. Geb. Neu-Beschenowa/Újbessenyo, Ungarn (Dudestii Noi, Rumänien), 28. 4. 1839; gest. Budapest (Ungarn), 7. 7. 1902.

Sohn eines Dorfschullehrers. Früh verwaist, war S. schon in jungen Jahren gezwungen, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. So besuchte er erst 15-jährig (1854) die Lehrerbildungsanstalt in Werschetz (Vršac). 1855 als Supplent an der dortigen Hauptschule tätig, schloß er seine Ausbildung 1856 ab, um noch im selben Jahr seinen Dienst an der Volksschule in Tschakowa (Ciacova) anzutreten. 1857–61 unterrichtete S. an der Volksschule in Großbetschkerek (Zrenjanin), wobei er nebenher das Piaristengymn. besuchte. 1861–65 stud. S. an der Univ. Pest die Fächer dt. Sprache und Literatur, Geographie und Geschichte, in denen er 1865 die Lehramtsprüfung für Gymn. ablegte. S., dem stets an der Organisation der dt. Lehrerschaft in Ungarn gelegen war, gründete 1868 gem. mit Rill (s. d.) die dt.sprachige Z. „Ungarischer Schulbote“, die bis 1887 bestand. Aufgrund seiner organisator. Fähigkeiten wurde S. 1869 von Unterrichtsmin. J. Eötvös (s. d.) zum Dir. der Ofener Lehrerbildungsanstalt ernannt, gab diese Funktion jedoch 1871 – wohl wegen nationalpolit. Gegensätze zum Min. – wieder auf. Bis 1872 als o. Prof. am Obergymn. im Bez. Leopoldstadt in Pest (Budapest) tätig, verließ er auch diese Anstalt und habil. sich als Priv.Doz. für dt. Sprache und Literatur am Pester Polytechnikum (1872). 1878 Dr. phil. Seit den 60er Jahren war S.in vielfältiger Weise schriftsteller. tätig, wobei sich sein Œuvre in belletrist., pädagog., publizist. und hist. Bereiche gliedert. So war S. Mitarbeiter bei mehreren Tagesztg. („Pester Lloyd“, „Die Presse“, „Ungarischer Lloyd“) und pädagog. Z. („Der österreichische Schulbote“, „Unterrichts-Zeitung für Oesterreich“, „Tanügyi Híradó“, usw.). In seinen hist. Werken befaßte sich S. v. a. mit der Geschichte der verschiedenen Nationalitäten in Ungarn. Was S.s wiss. Arbeitsmethode anlangt, so ermangelte ihm bei hoher stilist. Begabung manchmal eine krit., an den Quellen orientierte Sicht hist. Entwicklungen. Zudem neigte er in einigen seiner Arbeiten, wie z. B. in der „Geschichte des Temeser Banats“, 1861, 2. Aufl. 1872, zu unreflektierten Kompilationen aus älteren Geschichtswerken. In seinen Stud. über die Militärgrenze (1875, 1880, 1881) sowie in seinen Arbeiten über die Dt. (1881) und die „Zigeuner“ (1883) in Ungarn und Siebenbürgen verf. er allerdings hist. wertvolle, pionierhafte und z. Tl. bis zum heutigen Tag gültige geschichtl. Darstellungen. S., der stets einen konservativen, dem Haus Habsburg und der kath. Kirche gegenüber freundl. Standpunkt einnahm und deswegen häufig der Kritik von nationalliberaler ung. Seite ausgesetzt war, vertrat diese Haltung auch auf polit. Ebene, v. a. als er als Vertreter der Siebenbürger Sachsen – 1887–96 für den Wahlkreis Schäßburg (Sighisoara) und sodann bis 1902 für den Wahlkreis Großau (Cristian) – als Abg. im ung. Reichstag fungierte. 1884 gründete S. in Budapest die „Zwanglose Vereinigung von Literatur- und Kunstfreunden“, eine ausschließl. in dt. Sprache verkehrende, hochgebildete Tischges., die sich der Vermittlung der dt. Kultur in Ungarn widmete.


Werke: W. (auch s. u. bei Biograph. Jb. und Ung. Pädagogik): Zum Unterrichte im Dt., in: Unterrichts-Ztg. für Oesterr. 2, 1865; Képek Magyarország történetébol. Népiskolák számára, 1871; Általános földrajz, különös tekintettel az Osztrák-Magyar Monarchiára, 1872; Zur Geschichte der kirchl. Union in der croat. Militärgrenze, in: AfÖG 52, 1875 (auch selbständig); Statistik des Kg.Reichs Ungarn, 1877; Das ung. Unterrichts-Wesen am Schlusse des Schuljahres 1877–78, 1879; Polit. Geschichte der Serben in Ungarn, 1880; Die ung. Gymn. Geschichte, System, Statistik, 1881; Die Vereinigung der serb. Metropolien von Belgrad und Carlowitz im Jahre 1731, in: AfÖG 62, 1881 (auch selbständig); Die Dt. in Ungarn und Siebenbürgen (= Die Völker Oesterr.-Ungarns 3), 1881; Die Zigeuner in Ungarn und Siebenbürgen (= ebenda, 12), 1884; Das Kg.Reich Ungarn (= Die Länder Oesterr.-Ungarns in Wort und Bild 12), 1886; Geschichte der ung. Litteratur (= Geschichte der Weltlitteratur in Einzeldarstellungen 10), 1889; usw.
Literatur: Biograph. Jb. 9, 1906, S. 354ff.; Biograph Lex. Südosteuropas; Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex.; Nagl–Zeidler–Castle 3–4, s. Reg.; Pallas; Révai; Szinnyei; Trausch, s. Reg.; Wurzbach; Globus 82, 1902, S. 84; K. K. Klein, Literaturgeschichte des Deutschtums im Ausland, 1939, S. 255; A. Tafferner, Donauschwäb. Wiss. 1 (= Donauschwäb. Archiv, R. 3, Nr. 24), 1974, s. Reg., bes. S. 40ff.; G. Seewann, in: Ostdt. Gedenktage 1989, 1988, S. 71ff.; Ung. Pädagogik in dt. Sprache 1, hrsg. von E. Lechner (= Retrospektiven in Sachen Bildung, R. 6, Nr. 1: Zur Bildungsgeschichte diesseits und jenseits der Leitha), 1993, S. 39f.
Autor: (I. Németh)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 55f.
geboren in Dudeștii Noi
gestorben in Budapest
wirkte in Ciacova 1856-1857
wirkte in Zrenjanin 1857-1861
ausgebildet in Vršac
wirkte in Vršac
ausgebildet in Budapest
wirkte in Budapest
war Schüler Höhere Schule für die Erzieherbildung 1854
war Student Kaiserlich-Königliche Universität Pest 1861-1865
war Herausgeber Ungarischer Schulbote 1868
war Lehrer Obergymnasium (Pest) -1872
war Direktor Ofener Lehrerbildungsanstalt 1869
war Privatdozent Josefs Polytechnikum (Budapest) 1872
war Mitarbeiter von Pester Lloyd
war Mitglied Ungarischer Reichstag (1867–1918) 1887-1902
war Gründungsmitglied Zwanglose Vereinigung von Literatur- und Kunstfreunden (Budapest) 1884
war Mitarbeiter von Die Presse
war Mitarbeiter von Der österreichische Schulbote

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