Schur, Ferdinand August Eduard

Schur Ferdinand August Eduard, Pfarrer und geistlicher Rat. Geb. Inzersdorf, NÖ (Wien), 13. 3. 1839; gest. Wien, 26. 3. 1909.

Sohn des Ferdinand S. (s. d.); evang. AB. S. besuchte das Gymn. in Hermannstadt/Nagyszeben (Sibiu), Kronstadt/Brassó (Brasov) und Wien und stud. dann 1855/56 Jus, 1856–59 evang. Theol., 1861/62 Phil. in Wien (dazwischen auch in Heidelberg und Berlin); 1862 Ordination in Wien. Anschließend wirkte er bis 1864 als Pfarrvikar, dann bis 1876 als Pfarrer der evang. Gmd. in Brünn (Brno); 1866 Militärseelsorger. S. hatte in Brünn großen Anteil an der Neuorganisation und der Sicherung der geistl. Betreuung seiner Pfarrgmd. sowie an der Reorganisation der evang. Schule (1869 Dir. der evang. Hauptschule, 1870 Mitgl. des Bez.Schulrats). 1876–94 Pfarrer der evang. Pfarrgmd. in Bielitz (Bielsko-Biala), setzte er den von seinem Vorgänger Haase (s. d.) begonnenen Ausbau der Gmd. und ihrer Einrichtungen fort. S. engagierte sich für die Ausgestaltung der evang. Volks- und Bürgerschule, für die Erhaltung der evang. Lehrerbildungsanstalt und des Alumneums, war Mitbegründer (gem. mit Haase) und erster Leiter des Kandidatenhauses, einer prakt.- theol. Ausbildungsstätte für Absolventen der Evang.-theol. Fak. in Wien, weiters u. a. Obmann des Ortsschulausschusses. 1894–1909 geistl. Rat AB des Evang. Oberkirchenrates in Wien, war er v. a. für Ausbildungs- und Pfarranstellungsangelegenheiten sowie Matrikensachen zuständig und mit der Übertrittsbewegung befaßt. Weiters wirkte S. als Delegierter des Oberkirchenrates bei den Amtsprüfungen an der Evang.-theol. Fak. in Wien sowie bei den Sitzungen der Generalsynoden (1895, 1901, 1907) und als Vertreter der österr. Landeskirche bei der Eisenacher Kirchenkonferenz (1898). An allen Orten seines Wirkens war S. auch noch auf weiteren Gebieten des kirchl. und kulturellen Lebens höchst aktiv: Er unterstützte den Bau der Christuskirche in Brünn sowie die Kirchenbauten in Iglau (Jihlava), Mähr.-Schönberg (Šumperk) und Prerau (Prerov). Auf seine Initiative geht auch der Umbau der evang. Kirche von Bielitz (1880–81) nach den Plänen H. Ferstels (s. d.) zurück. Am kirchl. Pressewesen nahm S. durch seine Mitarbeit an der Z. „Neue Protestantische Blätter für das evangelische Österreich“ teil, ebenso durch die Gründung der „Evangelischen Kirchenzeitung für Österreich“ (1884, gem. mit Hermann Fritsche, dem evang. Pfarrer von Biala/Bielsko-Biala), deren alleiniger Hrsg. er 1886–94 war. Gründer und Mitgl. zahlreicher humanitärer Ver., war er u. a. bereits ab 1862 für die Gustav Adolf-Stiftung tätig, 1895–1905 Vorstandsmitgl.des Österr. Hauptver. und 1898–1904 dessen Vertreter im Leipziger Zentralvorstand. S. war u. a. auch Mitbegründer des Dt. Stadttheaters in Bielitz und Mitgl. des Bielitz-Bialaer Gesangsver. Eine hervorragende Pfarrer- und Lehrerpersönlichkeit mit umfassender allg. und theol. Bildung, war S. trotz labiler Gesundheit ein unermüdl. Förderer des Kirchen- und Schulwesens in den ihm anvertrauten Gmd. und in der Landeskirche sowie ein eindrucksvoller Prediger und beliebter Seelsorger. Seine Verdienste wurden mehrfach gewürdigt, u. a. 1898 Dr. theol. h. c. der Evang.-theol. Fak. in Wien, 1901 Orden der Eisernen Krone III. Kl.


Werke: Predigt bei der Einweihung der restaurierten evang. Kirche in Bielitz … 1881, 1881; usw. – Hrsg.: Evang.Kirchenztg. für Österr., 1884–86 (gem. mit H. Fritsche), 1886–94; Jahresberr. des Österr. Hauptver. der Evang. Gustav Adolf-Stiftung, 1895–1900; usw.
Literatur: Bielitz-Bialaer Anzeiger, 7. 4. 1909; Schematismus der Evang. Kirche A. und H. B. … 1895, 1895, S. 130; M. Modl, Kurzer Abriß der Geschichte der Evang. Kirchengmd. AB zu Bielitz …, 1896, S. 27f.; G. Trautenberger, Die Evang. Schule in Brünn, 1896, S. 26f.; Ber. über die 51. Hauptversmlg. des Evang. Ver. der Gustav Adolf-Stiftung … 1898, 1898, S. 13, 453; Der österr. Hauptver. der evang. Gustav Adolf-Stiftung. 44. Jahresversmlg. … 1906, 1906, S. 47; H. Fritsche, Die 8. o. Generalsynode der evang. Kirche AB … 1907, 1909, S. 1ff.; Der österr.Protestant, 1909, S. 115; Evang. Kirchenztg. für Österr., 1909, S. 114ff.; Jb. der Ges. für die Geschichte des Protestantismus in Österr. 30, 1909, S. 190; R. E. Wagner, Der Bielitzer Zion in den Predigten seiner Pastoren, 1921, S. 135ff.; G. Loesche, Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neueren Österr., 1930, s. Reg.; O. Wagner, Mutterkirche vieler Länder. Geschichte der Evang. Kirche im Herzogtum Teschen …, 1976, s. Reg.; W. Kuhn, Geschichte der dt. Sprachinsel Bielitz (= Quellen und Darstellungen zur schles. Geschichte 21), 1981, S. 309ff.; F. Speta, Leben und Werk von Ferdinand Schur 1799–1878 (= Stapfia 32), 1994; Archiv des Evang. Oberkirchenrates A und HB, UA Wien, beide Wien.
Autor: (W. Stangl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 376f.
geboren in Wien
gestorben in Wien

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