Schuselka, Franz

Schuselka Franz, Publizist und Politiker. Geb. Budweis, Böhmen (Ceské Budejovice, Tschechien), 15. 8. 1811; gest.Heiligenkreuz (NÖ), 1. 9. 1886.

Sohn eines Korporals, ab 1849 verehel. mit Ida S.-Brüning (s. d.); röm.-kath., ab 1845 dt.-kath., ab 1849 evang. AB, ab 1879 wieder röm.-kath. Nach Besuch der Trivialschule in Wien absolv. S. das Gymn. in Budweis (1829) und stud. dann bis 1834 an der Univ. Wien Jus. Zur gleichen Zeit war er Erzieher am Klinkowströmschen Inst. in Wien, danach als solcher auch in Prag und wieder in Wien. Ab 1839 ergriff S., der schon seit seiner Stud.Zeit journalist. tätig war, die Laufbahn eines freien Schriftstellers, vorerst v. a. als Mitarbeiter bei Ztg. Zu Beginn der 40er Jahre wandte er sich ganz der polit. Publizistik zu. Die Broschüre „Ist Österreich deutsch?“, 1843, brachte ihn erstmals in den Mittelpunkt publizist. Kontroversen, sein Hang zur oppositionellen Polemik in Konflikt mit dem Metternichschen System, sodaß er sich veranlaßt sah, Österr. zu verlassen. 1843 hatte er in Jena sein jurist. Doktorat erworben, ab 1846 lebte er in Hamburg, wo er sich vorerst stark in der dt.-kath. Gmd. engagierte. Nach Ausbruch der Revolution 1848 kehrte S. nach Wien zurück und wurde ins Frankfurter Vorparlament und in die Nationalversmlg. entsandt, wo er der gemäßigten Linken angehörte. Bereits im Juli schied er jedoch aus, um ein Mandat im Österr. Reichstag anzunehmen. Während der Oktoberrevolution 1848 in Wien verblieben, avancierte S. später zum Führer der Opposition im Reichstag von Kremsier (Kromeríž). Sein Wirken vor und während der Revolutionszeit hat er selbst in seinem zweibändigen Werk „Deutsche Fahrten“ (1849) ausführl. geschildert. Danach wandte sich S. wieder seiner literar. Tätigkeit zu, wurde dafür auch bis Ende 1852 aus Wien ausgewiesen und hielt sich währenddessen in Gainfarn (NÖ), danach kurze Zeit in Dresden auf, wirkte jedoch dann bis 1857 zeitweise propagandist. für das Innenmin. Sein Plan, in den 50er Jahren eine Ztg. zu gründen, scheiterte am Widerstand der Behörden. Im Sommer 1859 zählte S. zu den Gründungsmitgl. des Journalisten- und Schriftstellerver. „Concordia“, zu dessen erstem Präs. er gewählt wurde. Sein weiteres publizist. Wirken ließ ihn zu Beginn der konstitutionellen Experimente in Cisleithanien am Anfang der 60er Jahre noch einmal kurz ins Rampenlicht der polit. Auseinandersetzungen treten, doch gelang es S., der 1861–65 dem nö. Landtag angehörte, nicht mehr, eine führende Position einzunehmen. 1862–79 red. er die von ihm begründete Ws. „Die Reform“, wurde jedoch durch einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nie ganz erholte, aus der Arbeit gerissen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Stift Heiligenkreuz. S. zählte im Vormärz wegen der polem. Schärfe seiner gegen die Politik Metternichs (s. Metternich-Winneburg K. W. L. Fürst) und gegen die nichtdt. Nationalitäten des Habsburgerreiches gerichteten Schriften zu den bekanntesten liberalen Schriftstellern, nach dem Sieg des dt.-liberalen Konstitutionalismus in Cisleithanien wandelte er sich langsam zu einem Sprecher konservativer und slawophiler Politik. Seine Schriften, deren Einfluß lange Zeit überschätzt wurde, sind weit mehr als Illustration der polit. Gegensätze seiner Zeit, denn als konstitutives Element der Veränderung von bleibender hist. Bedeutung.


Werke: W. (s. u. bei Estermann, Fellner und Kosch, 3. Aufl.): Dtld., Polen und Rußland, 1846; Österr. Vor- und Rückschritte, 1847; Oesterr. und Rußland, 1855; Beitrr. in Z. und Ztg.; usw.
Literatur: ADB; Kosch, 3. Aufl.; Wurzbach; R. Charmatz, in: Österr. Rundschau 28, 1911, S. 264ff.; W. Kosch, in: ders., Menschen und Bücher, 1912, S. 190ff.; G. Schneider, F. S.s publizist. und polit. Wirken, phil. Diss. Wien, 1940; M. Mehringer, F. S., phil. Diss. München, 1946; F. Fellner, F. S., phil. Diss. Wien, 1948 (mit Werks- und Literaturverzeichnis); F. Prinz, in: Bohemia 1, 1960, S. 184ff.; J. Papiór, Über die Besinnung eines Irrenden (= Germanica Wratislaviensia 77), 1987; H. Lengauer,Ästhetik und liberale Opposition (= Literatur in der Geschichte – Geschichte in der Literatur 17), (1989), s. Reg.; Die Frankfurter Nationalversmlg. 1848/49, hrsg. von R. Koch, (1989) (mit Bild); Literatur Lex, hrsg. von W. Killy, 10, 1991; A. Estermann, Die dt. Literatur- Z. 1815–1850, 2. Aufl., Bd. 10, 1991, s. Reg.; Biograph. Wörterbuch zur dt. Geschichte, 2. Aufl., bearb. von K. Bosl u. a., 3, Nachdr. 1995; H. Best – W. Weege, Biograph. Hdb. der Abg. der Frankfurter Nationalversmlg. 1848/49 (= Hdb. zur Geschichte des Parlamentarismus und der polit. Parteien 8), (1996); UA Jena, Dtld.
Autor: (F. Fellner)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 380
geboren in Budweis
gestorben in Heiligenkreuz

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