Schröer, Tobias Gottfried

Schröer Tobias Gottfried, Ps. Chr. Oeser, Pius Desiderius, Theodoricus Schernbergk d. J., Elias Tibiscanus, A. Z., Pädagoge und Schriftsteller. Geb. Preßburg/Pozsony, Oberungarn (Bratislava, Slowakei), 14. 6. 1791; gest. ebenda, 2. 5. 1850.

Sohn eines Buchbinders aus der Niederlausitz, der sich 1788 in Preßburg niedergelassen hatte, Vater von Karl Julius S., Großvater von (Michael Martin) Arnold und Rudolf S. (alle s. d.) sowie Robert S. (s. u. Rudolf S.), ab 1823 verehel. mit Therese S. (s. d.); evang. AB. S., u. a. in Sprachen bereits gründl. vorgebildet, besuchte nach dem Tod des Vaters (1806) das Alumneum, um sich als Geistlicher ausbilden zu lassen, gab Privatstunden und wirkte als Hauslehrer. 1816–17 Stud. der Theol. für zwei Semester in Halle, wo er auch Phil., Pädagogik, klass. Philol. und Hebr. hörte. Vornehml. aus finanziellen Gründen nach Preßburg zurückgekehrt, lehrte S. am dortigen evang. Lyzeum 1817–50 Latein, Griech., Dt., Geographie, Geschichte und Ästhetik, wurde 1824 Subrektor, 1838 Prof. für die höheren Klassen. Als eine höhere Töchterschule gegründet werden sollte, verf. S. den Organisationsentwurf und übernahm 1818 auch die Leitung (bis 1824). Als dramat. und erzählender Schriftsteller war er sehr produktiv, doch ist nur das wenigste gedruckt worden. Er war mit Karoline Pichler, Theresia v. Artner und August Gottlieb Hornbostel (alle s. d.) bekannt und ab 1836 mit Karl v. Holtei befreundet. Als Pädagoge und als Verf. von Lehr- und Lesebüchern war S. für Generationen von Schülern prägend, sein „Weihgeschenk für deutsche Jungfrauen …“ erschien, mehrfach überarbeitet, noch 1899. Obwohl er wie sein Freund und ehemaliger Schüler Eduard Glatz unter den Ungarndt. der gemäßigten Richtung angehörte, war er den magyar. Bestrebungen und der Wr. Regierung in gleicher Weise verdächtig und konnte seine polit. engagierten Schriften, in denen er gegen alles auftrat, was die geistige und soziale Entwicklung in Ungarn hemmen sollte, nur anonym oder unter Ps. und nur in Deutschland veröff. Die Schrift „Über Erziehung und Unterricht in Ungarn …“, 1833, die sich gegen die kath. Geistlichkeit wandte, setzte ihn ebenso Verfolgungen aus wie „Die Religionsbeschwerden der Protestanten in Ungarn …“, 1838, und „Die hl. Dorothea …“, 1839, worin er gegen die Misere in der Frage der Mischehen in Ungarn auftrat. Viel Aufsehen erregte auch sein 1839 erschienenes hist. Drama „Leben und Taten Emerich Tököly’s und seiner Streitgenossen“, in dessen Mittelpunkt die ung. Religionskriege des späten 17. Jh. stehen: ein neuerl. Vorwurf des Verf. gegen die Ausschreitungen der kath. Kirche gegen den ung. Protestantismus. Das Drama wurde u. a. von Holtei begeistert aufgenommen, von Hebbel (s. d.) hingegen wegen formaler Schwächen verurteilt. Die von diesem andererseits anerkannte dramat. Begabung S.s zeigt sich in Erfolgen auf dem Gebiet der Komödie (z. B. „Der Bär“, aufgef. 1830). Die Ereignisse von 1848/49, die Entwicklung in Ungarn, die auf die Verdrängung des dt. Elements abzielte, belastete den zeitlebens kränkl. S., der als Mittler zwischen den Nationalitäten einerseits und den Konfessionen andererseits gelten kann. Seine lebenslangen pädagog. Bemühungen erfuhren eine späte Ehrung, als er im Februar 1850 von Min. Leo Gf. Thun-Hohenstein nach Wien zu den Beratungen über die Unterrichtsreform gerufen und im März desselben Jahres zum Distriktualschulinsp. und k. k. Schulrat ernannt wurde.


Werke: W. (s. u. ADB, Wurzbach, Oeser): Über Erziehung und Unterricht in Ungarn. In Briefen an den Gf. S. Széchenyi Verf. des Buchs: der Kredit, 1833; Die Religionsbeschwerden der Protestanten in Ungarn, wie sie auf dem Reichstage im Jahr 1833 verhandelt worden, 1838 (Ps. Elias Tibiscanus); Weihgeschenk für dt. Jungfrauen in Briefen an Selma über höhere Bildung, 1838, 26. Aufl.: Chr. Oesers Briefe … über die Hauptgegenstände der Ästhetik, 1899; Die hl. Dorothea. Dichtung und Wahrheit aus dem Kirchenleben in Ungarn, 1839; Weltgeschichte für Töchterschulen und zum Privatunterricht, 3 Tle., 1841ff., 7. Aufl. 1875; Geschichte der dt. Poesie in leicht faßl. Umrissen für die reifere Jugend beiderlei Geschlechts, 2 Tle., 1844, 4. Aufl. 1879; Theestunden in Lindenhain. Eine Smlg. von Ged., Novellen, Schauspielen, 2 Bde., 1846; usw.
Literatur: Pester Ztg., 26. 5. 1850; K. J. Schröer, in: N. Fr. Pr., 2. 4. 1869 (erweiterter Wiederabdruck in: ders., Die dt. Dichtung des 19. Jh. …, 1875, S. 189ff.), 17. 6. und 13. 7. 1869; N. Fr. Pr., 4. 4. 1869; ADB; Brümmer, 18. Jh.; Kosch; Nagl–Zeidler–Castle 2, s. Reg.; Szinnyei; Wurzbach; K. v. Holtei, Vierzig Jahre 5 (= ders., Erzählende Schriften 33), 1862, S. 168ff.; R. Zilchert, T. G. S. (Chr. Oeser), evang. theolog. Diss. Wien, 1919; ders., in: Z. für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 8–9, 1918/19, 1919, S. 142ff.; Chr. Oeser’s – T. G. S’s Lebenserinnerungen, hrsg. von A. und R. Schröer und R. Zilchert (= Schriften des Dt. Ausland-Inst. Stuttgart D/6), 1933 (mit Bildern); K. Horányi, Schröer Gyula Károly. 1825–1900, 1941; K. Paul, P. J. Šafarik, T. G. S. a K. G. Rumy, 1947; O. Folberth, Der Prozeß S. L. Roth, 1959, S. 255ff.; E. Streitfeld, K. J. Schröer, 1–3, phil. Diss. Graz, 1971, s. Reg. (mit Bild), 1 (= Ungarndt. Stud. 4), 1986; D. Sixel, Schicksalswege im Wandel der Zeit. K. J. Schröer, 1987; Slovenský biografický slovník 5, 1992; W. Beck, K. J. Schröer, 1993 (mit Bildern); V. Glosíková, Hdb. der deutschsprachigen Schriftsteller aus dem Gebiet der Slowakei (17.–20. Jh.) (= Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 625), 1995.
Autor: (E. Streitfeld)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 240f.
geboren in Pressburg
gestorben in Pressburg

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