Scheu, Heinrich

Scheu Heinrich, Politiker, Publizist und Xylograph. * Wien, 19. 10. 1845; † Sternenberg, Kt. Zürich (Schweiz), 28. 1. 1926.

Bruder des Folgenden und des Politikers und Schriftstellers Andreas S. (s. d.), Onkel des Vorigen; arbeitete 1859–63 in Wien im Atelier R. v. Waldheims als Xylograph und besuchte 1863–65 die Vorbereitungskl. für Malerei an der Akad. der bildenden Künste. Ab 1867 arbeitete er als Xylograph in Stuttgart, ab 1869 in Leipzig. Dort trat er dem Leipziger Arbeiterbildungsver. bei und wurde dessen Schriftführer. Nach der Verhaftung seines Bruders Andreas und anderer Arbeiterführer kam S. 1870 nach Wien und erreichte nach intensiven Bemühungen die Einigung der verschiedenen Fraktionen der Wr. Arbeiterorganisation. Er wurde auch Chefred. des Wochenbl. „Volkswille“. Sein besonderes Verdienst war die von ihm red. Buchausg. der Protokolle des Wr. Hochverratsprozesses (1870). Nach der Amnestie der Arbeiterführer 1871 übergab er die Red. des „Volkswillen“ wieder seinem Bruder Andreas und arbeitete in der Folge in seinem Beruf – auch an Kunstschulen – in verschiedenen europ. Städten, u. a. 1872–75 und 1887–91 in London, 1881–87 in Florenz (wo er 1885 Lehrer für Xylographie an der Scuola professionale delle Arti decorative wurde), 1891–93 in Luzern, dann in Zürich; 1899– 1906 war er Sekretär der dortigen städt. Kunstgewerbeschule. Als sich 1893 die Schweizer lokalen Gewerkschaften zu einer Arbeiterkammer für Rechtsauskunft und Arbeitsnachweis zusammenschlossen, wurde S. deren erster Präs. Er nahm als Delegierter u. a. am Kongreß der internationalen Arbeiterassociation 1872 in Den Haag teil, beim internationalen Sozialistenkongreß in Zürich, 1893, vertrat er die Schweizer, sein Bruder Andreas die engl. Arbeiter, sein Bruder Josef war Mitgl. der österr. Delegation. Während des Ersten Weltkriegs gehörte er zu den überzeugten Kriegsgegnern.


Werke: Triumph der Arbeit (nach W. Crane); Buchillustrationen; Illustrationen für Ztg. und Z., u. a. Illustrirte Ztg. (Leipzig), Über Land und Meer, The Graphic (London); Porträts, u. a. F. Engels, G. Keller, F. Lassalle, K. Marx, H. Pestalozzi. – Publ.: Erinnerungen, (1912); Artikel für Ztg., Z. und Kal.; Kunstkritiken in Z. Hrsg.: Der Hochverraths-Proceß gegen Oberwinder, A. Scheu, Most . . ., 1870, 2. Aufl.: Der Wr. Hochverratsprozeß. Ber. über die Schwurgerichtsverh. gegen A. Scheu, H. Oberwinder, J. Most und Genossen, 1911 (mit Beitrr. von K. Renner und H. S., Erinnerungen). Red.: Volkswille, 1870 f.
Literatur: Arbeiter-Ztg. vom 31. 1., 2.–3. 2. 1926; Bourdet; Nagl-Zeidler-Castle 4, s. Reg.; Thieme-Becker; H. Oberwinder, Die Arbeiterbewegung in Oesterr., 1875; Schweizer. Künstler-Lex., red. von C. Brun, 1913; L. Brügel, Geschichte der österr. Sozialdemokratie 1–4, 1922–23, s. Reg.; H. Steiner, Die Arbeiterbewegung Österr. 1867–89 ( = Veröff. der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Arbeiterbewegung in Österr. 2), (1964), s. Reg.; ders., Die Gebrüder S. ( = ebenda, 5), (1968), s. Reg.; F. Kaufmann, Sozialdemokratie in Österr., (1978), s. Reg.; A. Magaziner, Die Vorkämpfer, (1979), S. 38ff.; Sozialistenprozesse, hrsg. von K. R. Stadler, (1986), S. 20ff.; R. Löw, Arbeiterbewegung und Zeitgeschichte im Bild 1867–1938, 1986, S. 462.
Autor: (H. Steiner)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 47, 1991), S. 97
geboren in Wien
gestorben in Sternenberg

Lifeline