Reyer-Castagna, Costantino

Reyer-Castagna Costantino, Turnfachmann und Linguist. * Triest, 1. 2. 1828; † Graz, 25. 3. 1931.

Sohn eines Off., Neffe des Vorigen und des Großkaufmannes und Industriellen Carlo F. Frh. v. R. (s. d.); war zunächst 1857–61 als Kaufmann tätig; 1861 absolv. er den ersten von Obermann (1812–69) in Turin geleiteten Turnlehrerkurs und wurde in der Folge zu einem Bahnbrecher des italien. Turnwesens in Schule und Ver. R.-C. wirkte 1862 als Turnlehrer in Pisa, 1865 in Livorno und ab 1866 in Venedig. Durch mehrere Stud.Reisen erwarb er gründliche Kenntnisse derturner. Verhältnisse in Deutschland und Österr. und wurde bes. von Ravenstein und Jaeger beeinflußt. Er gründete u. a. 1866 die erste italien. Sportztg., „La ginnastica“, initiierte 1868 die erste „terminologia ginnastica“ und war 1869 an der Gründung der Federazione Ginnastica Italiana in Venedig, wo er gem. mit Gallo in allen Schulen die Leibeserziehung einführte, beteiligt. Nachdem es zu Unstimmigkeiten und zu einer Spaltung in der italien. Turnorganisation gekommen war, wirkte R.-C., ohne jedoch die Verbindung zu seinem Heimatland abreißen zu lassen, ab 1874 in Graz für den dortigen Akadem. Turnver. Bereits 1875 wurde er als Vertreter des damaligen Turnkreises XV (Dt.-Österr) in den Ausschuß der Dt. Turnerschaft und zum Vorsitzenden des Turnausschusses gewählt. 1874–79 trat er wiederholt mit fachlichen und organisator. Reformvorschlägen an die Öffentlichkeit. Diese Aktivitäten brachten ihm nur tw. Anerkennung, sodaß er 1877 seine Ausschußfunktionen zurücklegte. Zu R.-C.s bleibenden Verdiensten zählt die Einführung des gemischten Sechskampfes (später Zwölfkampf), zusammengesetzt aus Disziplinen des Gerätekunstturnens und der Leichtathletik. Er wirkte danach zeitweise wieder in Italien, u. a. ab 1877 als Leiter von Turnlehrerkursen in Bologna, als Mitbegründer der Federazione dei vigili italiani (1882), der ersten italien. Feuerwehrztg. („Il pompiere italiano“, 1883) und schließlich 1890 als Mitbegründer der Lega per la Nazione armata, die eine Verkürzung der Militärdienstpflicht durch turner. Betätigung anstrebte. 1898–1900 entwickelte er letzte turner. Aktivitäten. Später zog sich R.-C. fast völlig vom Turnen zurück und beschäftigte sich mit Sprachstud., vor allem mit dem von ihm bereits lang gehegten Plan einer „Grammatica Una“, welche die allg. Regeln aller abendländ. Sprachen umfassen sollte.


Literatur: Tagespost (Graz) vom 27. 3. (Abendausg.), Ultime notizie vom 29. 4. 1931; Th. Georgii – F. Goetz, An die Dt. Turnerschaft . . ., in: Dt. Tum-Ztg. 25, 1880, S. 487 ff.; E. Strauch, Die Dt. Turnerschaft und Herr C. R., ebenda, 30. 1885. S. 660; H. Jammernegg, K. R. †, in: Bundesturnztg. 12, 1931, S. 220; Encyklopäd. Hdb. des gesamten Turnwesens . . ., hrsg. von C. Euler, 2, 1895, M. di Donato, Indirizzi fondamentali dell’educazione fisica moderna, 1962, S. 134 ff.; Enc. dello sport, 1964; K. C. Wildt, Auswanderer und Emigranten in der Geschichte der Leibesübungen, 1964, S. 100 ff.; J. Ulmann, Ginnastica, educazione fisica e sport dell’ antichità ad oggi, 1968, S. 355.
Autor: (H. Strohmeyer)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 106f.
geboren in Triest
gestorben in Graz

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