Reyer, Francesco Taddeo von

Reyer Francesco Taddeo von, Großkaufmann, Bankier und Industrieller. * Malborghet (Malborghetto, Italien), 1760; † Triest, 17. 1. 1846.

Vater des Folgenden und des Großkaufmannes und Industriellen Carlo F. Frh. v. R. (s. d.); entstammte bescheidenen Verhältnissen; stud. nach Absolv. der philosoph. Jgg. in Klagenfurt Theol.; ging dann nach Triest und wurde Erzieher in der Familie des aus Holland stammenden reichen Kaufmannes Strohlendorf. Er wurde aber bald einer von dessen geschätztesten kaufmänn. Mitarbeitern und begleitete 1783 als Ladungsaufseher das Schiff „La Capricciosa“, dessen Fracht Strohlendorf gehörte, nach Nordamerika. R. konnte die Waren teils in Philadelphia, teils in Baltimore absetzen, womit er einen der ersten nennenswerten Handelsabschlüsse zwischen Triest und Nordamerika erzielte. Während seines mehrjährigen Aufenthalts in Amerika hatte er Gelegenheit, führende Persönlichkeiten des Handels und der Politik kennenzulernen, u. a. Franklin, mit dem ihn später eine tiefe Freundschaft verband. Nach seiner Rückkehr nach Triest gründete R. gem. mit Pellegrini 1788 das Kommissions- und Speditionshaus Pellegrini & R., die Keimzelle der Fa., die zu einem der größten Handelsunternehmen Österr. werden sollte, mit wichtigen Zweigen auf dem Gebiet des Versicherungs- und Bankwesens sowie der Ind. Nachdem sich 1799 Schlik der Fa. angeschlossen hatte – Pellegrini schied 1803 aus – führte diese, bis zur Auflösung nach dem Tode des letzten Inhabers, Reinelt (s. d.), den Namen R. & Schlik. R. nahm im Wirtschaftsleben Trieste eine dominierende Stelle ein. 1803 wurde er einer der Dir. der Versicherungsges. Scrittoio di Sicurtà, 1805 Mitgl. des Handelsrats, 1806 Hilfsassessor des Merkantil- und Wechselgerichtes zweiter Instanz, 1807 w. Börsendeputierter, 1808 Stadtrat. Während der Besetzung der Stadt durch die Franzosen 1809 vertraute R. seine Geschäftsinteressen einem Mitarbeiter an und ging nach Wien, wo er eine neue Fa. gründete und sofort jene waghalsige Aktivität entwickelte, für die er in den Wirtschaftskreisen ganz Europas bekannt war. Nach der Wiedervereinigung Triests mit Österr. kehrte R. 1813 nach Triest zurück, beließ jedoch in Wien eine selbständige Filiale für die Bankgeschäfte. 1819 kaufte er in Wr. Neustadt von F. W. Trenter die Kolonialzuckerraffinerie, die durch massive Investitionen und Verbesserung der Herstellungstechnik in kurzer Zeit eine Verzehnfachung der Produktion bei großer Qualitätssteigerung erzielte. Bei dieser Transaktion erwarb er außerdem einige Steinkohlenbergwerke in der Umgebung von Wr. Neustadt. R. betrieb als erster in Österr. Handelstransporte großen Stils, durchbrach die Kontinentalblockade und importierte ungeheure Warenmengen aus Amerika und England, zunächst über russ. und poln. Häfen, dann über die Türkei und Ungarn, und exportierte sie nach Deutschland und Frankreich. Er gründete in der Folge Filialen oder Vertretungen in London, Amerika und im Fernen Osten, sodaß sich die Fa., die auch zwei Schiffe besaß, zu einem der größten Importunternehmen für Kolonialwaren (vor allem Zukker und Kaffee, aber auch Baumwolle, Rum, Holz und Gewürze) entwickelte; daneben gab es auch intensive Exporte, vor allem von ung. Hadern. 1822 wurde R. Präs. der neugegründeten Azienda assicuratrice, die als erste große Triester Versicherungsges. viele Filialen unterhielt und eine der größten Europas war. 1836 nahm er an der Realisierung der ersten Etappe einer Initiative teil, die für ihn als Großkaufmann auf dem Gebiet des Seehandels von größter Wichtigkeit war, nämlich die Gründung der Dampfschiffahrtsges., der zweiten Sektion des Österr. Lloyd, zu deren Errichtung er als Präs. der Azienda assicuratrice beigetragen hatte. Er wurde erster Präs. der Dampfschiffahrtsges. und Gen.-Dir.des Österr. Lloyd. R., der sich auch auf caritativem Gebiet große Verdienste erwarb, wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1826 nob., 1834 Ritterstand.


Literatur: Wr. Ztg. vom 29. 1. 1846; Wurzbach; S. Formiggini, L’Angelo della Risurrezione, Monumento R., 1853; G. Caprin, I Nostri Nonni, 1888, S. 25; In occasione del giubileo centenario della Ditta commerciale di Trieste R. & Schlik, 1889; 75 Jahre Österr. Lloyd 1836–1911, FS, 1911, S. 7, 12; G. Stefani – B. Astori, II Lloyd Triestino (1836–1936), 1938, S. 21 ff.; O. de Incontrera, Trieste e l’America (1782–1830 e oltre), 1960, S. 25 ff.; R.E.Coons, Steamships, Statesmen, and Bureaucrats ( = Veröff. des Inst. füreurop. Geschichte Mainz 74), 1975, s. Reg.; H. Kreiner, Ein Ber. über den Grünbacher Steinkohlenbergbau undseine Zeit 1823–1965, 1985, S. 23.
Autor: (R. Pavanello)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 105f.
geboren in Malborghetto Valbruna
gestorben in Triest

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