Reich, Emil

Reich Emil, Philosoph, Volksbildner und Fachschriftsteller. * Koritschan (Korycany, Mähren), 29. 10. 1864; † Wien, 13. 12. 1940.

Sohn des Fabrikanten Samuel R. (1816–78), des Inhabers der Fa. Reich S. et Comp. Off. Ges. für das Landesfabriksbefugnis zur Erzeugung von Glaswaren mit der Hauptniederlassung in Wien (ab 1865) und mehreren Filialen in Mähren; stud. 1883–86 an der Univ. Wien Phil., wobei schon damals sein Hauptinteresse der Ästhetik galt, 1886 Dr. phil. Nach je einem Stud.Semester an den Univ. München und Berlin unternahm R. 1888 und 1889 kunsthist. Stud.Reisen in Frankreich und Italien. 1890 habil. er sich mit seiner Arbeit über Gravina, in der neben R.s Auseinandersetzung mit Schopenhauer auch jene mit dem Naturalismus nachklingt, an der Univ. Wien für das gesamte Gebiet der Phil., 1904 ao. Prof. der Ästhetik. 1933 emer., lehrte er als Hon.Prof. noch bis 1937/38. R. hielt Vorlesungen über ästhet., philosophiehist. und geschichtsphilosoph. Themen – er war neben L. M. Hartmann (s. d.) einer der ersten, die die Geschichtsphil. des Marxismus und dessen Beziehungen zur Ethik krit. darstellten – und behandelte in seinen regelmäßig wiederkehrenden Vorlesungen über prakt. Phil. (mit bes. Berücksichtigung der sozialen Probleme) die Fragen einer Gemeinschaftsethik. Zu seinen frühesten Vorlesungen gehören jene über die Ästhetik der Dramen Grillparzers (s. d.) und Ibsens, die R. im Konnex der Moderne mit all ihrer Problematik begriff, wobei er Grillparzer als Vorwegnahme Ibsens sah. Er trug damit wesentlich zum Verständnis Ibsens im dt. Sprachraum bei. Neben seiner Vorlesungstätigkeit widmete sich R. als Vortragender, Funktionär, Publizist und Mäzen bes. intensiv der Volksbildung. Als Mitstreiter Hartmanns hatte er bedeutenden Anteil an der Einrichtung der volkstümlichen Univ.Vorträge, deren Ausschußmitgl. er bis zu seiner Emer. war, sowie an der Gründung (1901) des Volksheims, der späteren Volkshochschule Ottakring (1901–34 Schriftführer des Ver. Volksheim). R., zeit seines Lebens von sozialeth. Pathos erfüllt, wurde so zum Wegbereiter des Wr. Volksbildungswesens. Er war auch Mitbegründer (1890) und bis 1928 Sekretär der Grillparzer-Ges. sowie Leiter von deren Vortragsabenden.


Werke: Schopenhauer als Philosoph der Tragödie, 1888; Grillparzers Kunstphil., 1890; G. V. Gravina als Ästhetiker, in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 120, 1890; Die bürgerliche Kunst und die besitzlosen Volkskl., 1892, 2. Aufl. (1894); H. Ibsens Dramen, 1894, 13. und 14. Aufl. 1925; F. Grillparzers Dramen, 1894, 4. Aufl.: Grillparzers dramat. Werk, (1938); Volkstümliche Univ.Bewegung ( = Eth.-socialwiss. Vortragskurse 5), 1897; Kunst und Moral, 1901; Aus Leben und Dichtung, 1911; 25 Jahre Volksheim. Eine Volkshochschul-Chronik, 1926; Gemeinschaftsethik, 1935; Beitrr. in Zentralbibl. für Volksbildungswesen, Volksbildung; etc.
Literatur: Arbeiter-Ztg. vom 13. 12. 1960; W. Speiser, E. R. zum Gedenken, in: Mitt. des Wr. Volksbildungsver. 46, 1954–1955, n. 4, S. 2; Eisenberg, 1893, Bd. 1; Eisler; Giebisch– Gugitz; Kosch; Kosel 1; Kürschner, Gel.Kal., 1925–35; Nagl–Zeidler–Castle 3–4, s. Reg.; Wininger; 50 Jahre Volksheim, (1951), bes. S. 18 ff.; Bildung, Freiheit, Fortschritt. Gedanken österr. Volksbildner, (1965), S. 108 ff.; W. Bründl, Eigenart und Entwicklung der Wr.Volkshochschulen ( = Schriften zur Volksbildung des Bundesmin. für Unterricht 1), o. J., bes. S. 71 f.; UA Wien.
Autor: (V. Suchy)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 41, 1984), S. 24f.
geboren in Koryčany
gestorben in Wien

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