Ramek, Rudolf

Ramek Rudolf, Politiker. * Teschen (Cieszyn, österr. Schlesien), 12. 4. 1881; † Wien, 24. 7. 1941.

Sohn eines Eisenbahnbeamten; stud. 1900–03 und 1904/05 an der Univ. Wien Jus, 1907 Dr. jur. War 1913–38 Rechtsanwalt in Salzburg und erweckte dort die Aufmerksamkeit Seipels. R. war Mitgl. des Cartell-Verbandes und beim Aufbau der christlichsozialen Landesparteiorganisation in Salzburg führend tätig. 1919 in die Konstituierende Nationalversmlg. gewählt, 1920–34 christlichsozialer Abg. zum Nationalrat, 1919/20 Staatssekretär für Justiz im Kabinett Renner III, 1921 kurzfristig Bundesminister für Inneres in der Regierung Mayr II. Nach der Demission Seipels, der ihn als Platzhalter vorschob, wurde er 1924 Bundeskanzler. Sein Kabinett mußte das begonnene Sanierungswerk unter der Kontrolle des Völkerbundes beenden, aber auch die Belastungen der Stabilisierungskrise auf sich nehmen. Spannungen innerhalb der Christlichsozialen Partei, die vornehmlich auf die steir. Sonderpolitik (Rintelen, Ahrer) zurückzuführen waren, gefährdeten das „Länderkabinett“ R., das auch von der Parteispitze mehr und mehr im Stich gelassen wurde. So mußte R. seinen eigenen Unterrichtsminister, Schneider, desavouieren, indem er von diesem abgeschlossene Vereinbarungen mit der Wr. Schulverwaltung nicht anerkannte, was schließlich zum Sturz Schneiders führte. R., der sich durch Reisen nach Berlin und Prag um ein gutes Verhältnis zu den Nachbarstaaten bemühte, scheiterte vollends an den Folgen der Bankzusammenbrüche (Steirerbank, Zentralbank der dt. Sparkassen, Postsparkasse), die nicht nur die Wirtschaft erschütterten, sondern auch sehr bedenkliche Verflechtungen von Politik und Geschäft offenlegten. Nach seiner von Seipel gewünschten Demission (1926) betätigte sich R. weiter als Parlamentarier, namentlich in Justizangelegenheiten; 1930 wurde er zum Zweiten Präs. des Nationalrates gewählt, welches Amt er am 4. 3. 1933 spontan, ohne die dann eingetretenen Folgen zu überblicken oder sie gar zu wünschen, jedoch in der deutlichen Absicht, seiner Partei eine Stimme zu retten, niederlegte. Dem autoritären Kurs von Dollfuß (s. d.) und Schuschnigg stand er krit. gegenüber, leitete aber doch noch die Sitzung des Rumpfparlaments am 30. 4. 1934. Dann zog er sich ganz aus dem öff. Leben zurück. In der nationalsozialist. Ära war er als jurid. Berater kirchlicher Institutionen tätig.


Literatur: Klein-Österr. Persönliche Erinnerungen von F. Wolsegger † in: Carinthia I, 152, 1962, S. 432 f.; H. Huebmer, Das Schicksal des österr. Ministers Dr. E. Schneider, in: Jb. des Vorarlberger Landesmus. Ver., 1962, S. 134 ff.; Knauer; Kosch, Staatshdb.; Festschrift aus Anlaß des 75jährigen Bestandes der Rechtsanwaltskammer in Wien, 1925, S. 87; O. Knauer, Österr. Männer des öff. Lebens von 1848 bis heute, 1960; W. Goldinger, Geschichte der Republik Österr., 1962, s. Reg.; K. Ausch, Als die Banken fielen, 1968, s. Reg.; K. v. Klemperer, I. Seipel . . ., 1972, s. Reg.; Die Abg. zum österr. Nationalrat 1918–75 . . ., 1975; M. Hainisch. 75 Jahre aus bewegter Zeit, bearb. von F. Weissensteiner (= Veröff. der Komm. für neuere Geschichte Österr. 64), 1978, S. 232, 316 ff.; F. Rennhofer, I. Seipel. Mensch und Staatsmann (= Böhlaus zeitgeschichtliche Bibl. 2), 1978, s. Reg.
Autor: (W. Goldinger)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 40, 1983), S. 407
geboren in Cieszyn
gestorben in Wien

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