Monschein, Johanna

Monschein Johanna, Diplomatin und Kinderbuchforscherin. Geb. Wien, 16. 12. 1907; gest. ebd., 14. 5. 1997; röm.-kath.

Tochter von Dr. Karl Monschein (1872–1945), Direktor des Postsparkassenamts in Sarajevo, danach leitender Beamter im Handels- und im Finanzministerium, zuletzt Vizegouverneur der Österreichischen Postsparkasse. – M. verbrachte ihre Kinder- und frühen Jugendjahre in Sarajevo. Nach der Matura 1927 studierte sie an der Universität Wien Jus, 1932 Dr. jur., absolvierte das Gerichtsjahr und erhielt 1934 eine Anstellung bei der Generaldirektion der Post- und Telegraphenverwaltung, wobei sie als Frau nur auf einem Maturantenposten Verwendung fand. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde M., Monarchistin und Antifaschistin, als „politisch unzuverlässig“ gemaßregelt und als Postfacharbeiterin bis 1942 in Postämtern in und außerhalb von Wien eingesetzt. Danach in der Rechtsabteilung der Generaldirektion, war sie ab April 1945 im Büro des Generaldirektors für die Post- und Telegraphenverwaltung als Verbindungsbeamtin zu den Alliierten tätig. M. wechselte im Oktober 1947 ins Bundeskanzleramt/Auswärtige Abteilung und war 1952–57 Ständige Vertreterin Österreichs beim Europäischen Büro der Vereinten Nationen in Genf (Genève). 1954 legte sie die Diplomatenprüfung ab und war 1957–65 in Oslo, zunächst als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1959 wurde sie als erste Frau im österreichischen diplomatischen Dienst zum außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter ernannt. 1965–68 Botschafter in Brüssel, war sie ab Juni 1965 mitbeglaubigt in Luxemburg. Ihre vorzeitige Rückberufung in die Zentralstelle bereits Anfang 1968 löste bei M. eine schwere Krise aus. In der Folge hatte sie bis 1969 die Leitung des Ordensreferats in der Abteilung Protokoll, ab 1969 die der Abteilung Dokumentation im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten inne. 1973 wurde sie in den Ruhestand versetzt. V. a. in ihrer Zeit als Diplomatin, aber auch vorher, knüpfte M. eine Reihe von Kontakten zu Politikern und Personen des öffentlichen Lebens, darunter Leopold Figl, Bruno Kreisky, der norwegische Ministerpräsident Einar Gerhardsen, der belgische Außenminister Paul-Henri Charles Spaak oder der britische General Horatius Murray. Bereits in ihrer Jugend hatte M. mit dem Sammeln von Büchern begonnen; zunächst erwarb sie Viennensia, später alte Kinderbücher, vor allem deutschsprachige, englische und als begeisterte Frankophile französische, vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Nach ihrer Pensionierung gelangte sie über deren bibliographische Erfassung zur wissenschaftlichen Forschung, wobei sie bibliographischen Fragestellungen ebenso nachging wie kultur-, geistes- und erziehungsgeschichtlichen oder kunst- und literaturhistorischen. Besonders faszinierten sie Querschnittsthemen, die sich hierbei ergaben. Die erste Kinderbuchausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, die 1979 unter dem Titel „Europäische Kinderbücher vom 15. bis zum 19. Jahrhundert“ stattfand, wurde von ihr wissenschaftlich konzipiert; sie verfasste auch den gleichnamigen Ausstellungskatalog. Im Zuge dieser Arbeit entdeckte sie in der habsburgischen Fideikommissbibliothek eine Sammlung von Kinderbüchern aus dem Besitz Kaiser Franz I., über die sie das umfangreiche Werk „Kinder- und Jugendbücher der Aufklärung“, 1994, verfasste, das in der Fachwelt große Anerkennung fand. M. wurde mit diesen Werken zur Begründerin der historischen Kinderbuchforschung in Österreich.


Werke: s. Stumpf-Fischer, 2009. – Nachlass: Sammlung Frauennachlässe, Institut für Geschichte, Universität Wien, Wien.
Literatur: E. Stumpf-Fischer, Die Kinderbuchsammlerin J. M., in: libri liberorum, Sonderheft Juni 2007: Die Ästhetik des Unvollendeten. In memoriam der Kinderbuchsammlerin J. M., ed. S. Blumesberger u. a., 2007, S. 11–41 (m. B.); H. Ries, „Den Phänomenen nachzugehen“ ..., ebd., S. 42–62; F. C. Heller, Kinderbücher sammeln nach J. M., ebd., S. 63–70; E. Stumpf-Fischer, „Man ist immer allein …“. J. M. ..., 2009 (m. B., W., L. u. CD); R. Agstner u. a., Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. Biographisches Handbuch der Diplomatie des Höheren Auswärtigen Dienstes 1918–1959, 2009.
Autor: (E. Stumpf-Fischer)
Referenz: ÖBL Online-Edition, Bd. (Lfg. 1, 2011)
geboren in Wien
gestorben in Wien

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