Morelli, Giovanni

Morelli Giovanni, Ps. Ivan Lermolieff, Politiker und Kunsthistoriker. * Verona (Venetien), 25. 2. 1816; † Mailand, 28. 2. 1891.

Nach dem Tod des Vaters ging M. nach Bergamo, dann nach Aarau (Schweiz) und nach Deutschland, wo er Naturwiss. und Med. stud. (Dr.med.), was auf seine spätere kunsthist. Tätigkeit großen Einfluß haben sollte. 1840 lernte er in Florenz Giusti und Capponi kennen, 1842 war er, von den bildenden Künsten immer stärker fasziniert, in Rom. 1848 kämpfte er unter den Freiwilligen in Mailand und nahm dann als Vertreter der provisor. Regierung am Reichstag in Frankfurt teil. Er beteiligte sich an der Verteidigung Venedigs, wurde 1860 Deputierter beim Collegio in Bergamo und später mehrmals in diesem Amt bestätigt. 1873 wurde er zum Senator des Königreichs ernannt. Ab 1861 war M. beauftragt, die Kunstwerke in Umbrien und in den Marken zu inspizieren bzw. zu beaufsichtigen, ein Aufgabenkreis, welcher immer vielfältiger wurde. Er unternahm in und außerhalb Italiens (Großbritannien, Deutschland, Österr., Frankreich, Holland, Spanien) zahlreiche Reisen, um seine Fachkenntnisse zu vertiefen. Auf dem Gebiet der Kunstkritik versuchte M., ein wiss.-prakt. System dem rein literar., das vor allem in Deutschland gebräuchlich war, entgegenzusetzen, um einer inspirierten Kunstbetrachtung gesicherte Attribute hinzuzufügen. Er empfahl die Beachtung gewisser Details (Ohren, Hände, Nägel, Kleiderfalten etc.), in denen sich der Künstler unbewußt offenbare, da sich solche manuelle Gewohnheiten bei Wiederholung experimentell verifizieren ließen bzw. zu anderen Arbeiten gegensätzlich wären. Da Wickhoff zu M.s Anhängern gehörte, ist dessen Einfluß in der Wr. Schule, in gewissen Aspekten auch bei Berenson, spürbar.


Werke: Worte eines Lombarden an die Deutschen, 1848; Die Werke italien. Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin, 1880, engl. 1883, italien. 1886; Kunstkrit. Stud. über italien. Malerei, 3 Bde., 1890–93, italien. 1897.
Literatur: Bergomum 24, 1940, n. 2, S. 51 ff.; G. Frizzoni, Cenni biografici intorno a G. M., in: G. M., Della pittura italiana, 1897, S. 1 ff.; Dizionario enciclopedico della letteratura italiana, Bd. 4, 1967; M. Rosi, Dizionario del Risorgimento nazionale, Bd. 3, 1933, S. 647; Enc. biografica e bibliografica italiana, Ser. 4, 1942; Dizionario enciclopedico italiano, Bd. 8, 1958; Enc. It.; Enc. Britannica, Bd. 15, 1960; A. Venturi, Memorie autobiografiche, 1927; J. v. Schlosser, Die Wr. Schule der Kunstgeschichte, in: MIÖG, Erg.Bd. 13/2, 1934, S. 164 ff.; L. Venturi, Storia della critica d’arte, 1945, S. 354 ff.; B. Berenson, Metodo e attribuzioni, 1947, S. 12.
Autor: (G. M. Costantini)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 29, 1975), S. 371f.
geboren in Verona
gestorben in Mailand

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