Menger, Karl

Menger (von Wolfensgrün) Karl, Nationalökonom. * Neusandez (Nowy Sacz, Galizien), 23. 2. 1840; † Wien, 26. 2. 1921.

Bruder des Vorigen und des Folgenden; stud. an den Univ. Wien (1859/60), Prag (1860–63) und Krakau (1867 Dr. jur.) Jus und Staatswiss. Anschließend war er zunächst in Lemberg, dann in Wien journalist. tätig und trat nach einigen Jahren in den Staatsdienst. 1871 veröff. er seine „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, 1872 Priv.Doz. für polit. Ökonomie an der rechts- und staatswiss. Fak. der Univ. Wien, 1873 ao. Prof. 1876 wurde er zu einem der Lehrer des Kronprinzen Rudolf bestellt und begleitete diesen 1877 und 1878 auf Studienreisen durch weite Teile Europas. 1879 o. Prof. der polit. Ökonomie an der Univ. Wien. Berufungen an ausländische Univ. lehnte er ab. 1892 beteiligte er sich an den Beratungen der österr. „Währungs-Enquête-Kommission“, was ihn zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der damaligen Wirtschaftslage und bes. mit dem Stande der Geldtheorie anregte. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1900 lebenslängliches Mitgl. des Herrenhauses, 1904 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, Rom, Paris, Philadelphia etc. Neben seinen wirtschaftstheoret. Arbeiten weist M.s Werk als zweiten Schwerpunkt seine methodolog. Schriften auf. Die wenig ermutigende Aufnahme der „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“ scheint ihn dazu bewogen zu haben, die Berechtigung der darin verwendeten theoret. Methode neben der damals im dt. Sprachraum mit der hist. Schule vorherrschenden Betonung der deskriptiven und geschichtsphilosoph. Forschungsrichtung herauszuarbeiten. Waren die „Grundsätze“ der Ausgangspunkt der österr. Schule der Nationalökonomie, so knüpfte sich an das zweite Hauptwerk, die „Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie insbesondere“, der erste Methodenstreit der Nationalökonomie, die leidenschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der beiden Forschungsrichtungen, wobei M. bei aller Schärfe und Polemik der Argumentation in den method. wie wirtschaftstheoret. Streitfragen eher eine ausgewogene mittlere als extreme Position vertrat. In ähnlicher Form gilt diese Aussage auch für die wirtschaftstheoret. Arbeiten M.s. Die „Grundsätze“ sind längst ein Klassiker der ökonom. Literatur geworden. Der Umstand allerdings, daß es sich bei diesem Werk um einen großangelegten konzeptiven Entwurf der ökonom. Theorie handelt, mit dem die Mängel und Schwächen des klass. Theoriegebäudes ausgemerzt werden sollten, muß in einer Periode, in der nach Jahren der Verfeinerung und Ausformung eines bestimmten, von den „Grundsätzen“ nicht unwesentlich beeinflußten Theoriekonzepts neuerlich um die grundlegende Frage des geeigneten Forschungsrahmens gerungen wird, verstärktes Interesse an den „Grundsätzen“ hervorrufen.


Werke: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 1871, 2. Aufl., hrsg. von K. Menger jun., 1923; Untersuchungen über die Methode der Sozialwiss. und der polit. Ökonomie insbesondere, 1883; Die Irrthümer des Historismus in der dt. Nationalökonomie, 1884; Zur Kritik der polit. Ökonomie, in: Z. für das Privat- und öff. Recht der Gegenwart 14, 1886, selbständig, 1887; Zur Theorie des Kapitals, in: Jbb. für Nationalökonomie und Statistik, NF, Bd. 17, 1888; Grundzüge einer Klassifikation der Wirtschaftswiss., ebenda, NF, Bd. 19, 1889; Beitrr. zur Währungsfrage in Österr.-Ungarn, ebenda, F. 3, Bd. 3, 1892, selbständig, 1892; Der Übergang zur Goldwährung. Untersuchungen über die Wertprobleme der österr.-ung. Valutareform, 1892; etc. The Collected Works of C. M., hrsg. von F. A. Hayek, 4 Bde., 1933–36, 2. Aufl. dt.: Ges. Werke, 4 Bde., 1968–70.
Literatur: N. Fr. Pr. vom 23. 2. 1910, 23. 2. 1915 und 27. 2. 1921; Wr. Ztg. vom 23. 2. 1915, 26. 2. 1921 und 20. 6. 1971; RP vom 27. 2. 1921; Almanach Wien, 1921; Z. für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, NF 1, 1921, S. 1, 197 ff.; Jurist. Bll., Jg. 50, 1921, S. 33; F. A. Hayek, Biograph. Einleitung, C. M., Ges. Werke, 2. Aufl., 4 Bde., 1968–70; Handwörterbuch der Sozialwiss., hrsg. von E. v. Beckerath, Bd. 7, 1961; Handwörterbuch der Staatswiss., hrsg. von L. Elster, A. Weber und F. Wieser, Bd. 6, 4. Aufl. 1925; International Enc. of the Social Sciences, hrsg. von E. R. A. Seligman, Bd. 10, 1968; Eisenberg, 1893, Bd. 1; Kosel; Knauer; N. Österr. Biographie, Bd. 1, 1923; Kosch, Das kath. Deutschland; Wer ist’s? 1909–14; W. Weber, Hundert Jahre Österr. Schule der Nationalökonomie an der Wr. Univ., in: Stud. zur Geschichte der Univ. Wien, Bd. 2, 1965; R. Hansen, Der Methodenstreit in den Sozialwiss. zwischen G. Schmoller und K. M., in: Beitrr. zur Entwicklung der Wiss. Theorie im 19. Jh., hrsg. von A. Diemer, 1968; Symposium Hundert Jahre „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre von C. M.“, in: Z. für Nationalökonomie, Bd. 32, 1972, H. 1.
Autor: (H. Abele)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 28, 1974), S. 221f.
geboren in Nowy Sącz
gestorben in Wien

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