Luzzatto, Samuel David

Luzzatto Samuel David („Schadal“), Theologe und Philologe. * Triest, 22. 8. 1800; † Padua (Venetien), 29. 9. 1865.

Vater des Vorigen; einer seit langem im Venetian., ansässigen jüd. Familie entstammend, besuchte er in Triest die israelit. Normalschule, die erste ihrer Art in der Monarchie. Schon als Kind beherrschte er vollendet die hebr. Sprache, wie seine frühesten poet. und grammatikal. Versuche zeigen. In der Folge eignete er sich ein großes Maß an jüd.-traditioneller und weltlicher Bildung durch individuelles Stud. an. Da die Familie in den bescheidensten Verhältnissen lebte, blieb ihm eine wiss. Laufbahn im üblichen Sinne verschlossen. Er versuchte seinen Unterhalt als Privatlehrer zu verdienen; zugleich erschienen seine ersten Arbeiten im hebr. Verlag von A. Schmid in Wien. Einen großen Einfluß hatte die Bekanntschaft mit I. S. Reggio (1784–1855) in Görz, einem angesehenen Gelehrten in den Spuren M. Mendelssohns. L. behielt jedoch zeitlebens seine Unabhängigkeit, oft genug auch Eigenwilligkeit, in wiss. und charakterlicher Hinsicht bei. Alle seine Aspirationen fanden ihre Erfüllung durch die Errichtung des Collegio Rabbinico in Padua (1829), des ersten Rabbinerseminars im Range einer Hochschule, wo er einen der beiden Lehrstühle erhielt. Hier war er bis zu seinem Tode Prof. für Bibelexegese, Geschichte, Moral und Dogmatik. Neben seinen Vorlesungen widmete er sich vor allem der Erschließung der hebr. Sprache und der Erforschung der jüd. Literatur. Sein wiss. Werk ist in einer langen Reihe von Publ. erhalten, darüber hinaus sind seine Anschauungen in einer umfangreichen Korrespondenz, die seine ungewöhnliche Arbeitsleistung abrundet, niedergelegt. Obgleich die bürgerliche Gleichstellung der Juden gerade in den Provinzen Italiens auf die geringsten Hindernisse stieß, teilte L. nicht die messian. gefärbten Hoffnungen, die viele auf eine nahe Emanzipation und Assimilation der Juden setzten. Folgerichtig bemühte er sich daher um die Erweckung der nationalen Sprache und des nationalen Bewußtseins, wozu er ausdrücklich auch eine Besiedlung der alten Heimat Palästina zählte. Der abendländ. Kultur, die auf dem Erbe der klass. Antike beruht (von ihm daher „Attizismus“ genannt), stellte er den „Judaismus“ gegenüber, d. h. die Botschaft der Bibel, die durch die Mission Israels wie auch den Geist des Christentums wirksam ist. Entgegen den liberalen und rationalist. Tendenzen bei manchen Vertretern der „Wissenschaft des Judentums“ in Deutschland erklärte er die überlieferten Prinzipien des Judentums (z. B. Einheit des Pentateuch) für unaufgebbar, ohne jedoch auf wiss. Kritik an der Tradition zu verzichten.


Literatur: Autobiografia di S. D. L., hrsg. von I. Luzzatto und S. Morais, 1882, dt.: Autobiographie S. D. L.s, übers. von M. Grünwald, 1882; Rassegna mensile di Israel 32, 1966, n. 9/10; S. D. L. Ein Gedenkbuch, 1900; Wininger; Enc. Jud.; Jew. Enc.; Jüd. Lex.; Lex. des Judentums, 1967; Enc. Catt.; Wurzbach; Enc. It.; J. Klausner, Yahadut we‘enošiyut, 1905, S. 42 ff.; S. Morais, Italian Hebrew Literature, 1926, S. 78 ff.; F. Lachower, Toldot hasiphrut ha‘ibhrit hachadašah I/2, 1929, S. 59 ff.; J. Klausner, Historiyah šel hasiphrut ha‘ibhrit hachadašah, 1937; J. L. Landau, Short Lectures on Modern Hebrew Literature, 1938, S. 155 ff.: A. Milano, Storia degli ebrei in Italia, 1963, S. 375 f.; I. Zinberg, Toldot siphrut yisra‘el 6, 1960, S. 92 ff.; A. Ben-Or (Orinowski), Toldot hasiphrut ha‘ibhrit hachadašah 1, 1964, S. 106 ff.; N. Vielmetti, Die Gründungsgeschichte des Collegio Rabbinico in Padua, in: Kairos, Z. für Religionswiss. und Theol. 13, 1971, S. 38 ff.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 24, 1971), S. 383
geboren in Triest
gestorben in Padua

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