Kopitar, Bartholomäus

Kopitar Bartholomäus (Jernej), Slawist. Geb. Repnje, Oberkrain (SLO), 23. 8. 1780; gest. Wien, 11. 8. 1844 (seit 1897 begraben in Ljubljana); röm.-kath.

Bauernsohn. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Laibach (1791–1800) kam K. als Sekretär zu Sigmund Zois Frh. von Edelstein, dem wichtigsten Mäzen der eigenständigen kulturellen Entfaltung der Slowenen. Dieser ermöglichte ihm 1808–10 das Jusstudium in Wien und verschaffte ihm Zutritt zu führenden Kreisen. Dank →Józef Maksymilian Ossolinskis Initiative wurde K. 1810 Beamter (4. Skriptor) an der Hofbibliothek in Wien. Ab 1819 4. Kustos und Leiter der Handschriftensammlung, übernahm er 1827 das Amt des 2. Kustos sowie 1844 jenes des 1. Kustos und wurde zum Hofrat ernannt. K. wirkte im Sinne eines kulturpolitischen Austroslawismus. Er erwarb sich Verdienste um die Rückführung der unter Napoleon I. verschleppten Bibliotheksbestände, um die Katalogisierung von Handschriften und war auch als Zensor für das slawische, neugriechische, rumänische und albanische Schrifttum tätig. Schon in Laibach nahm K. mit dem Altvater der Slawistik →Josef Dobrovský Verbindung auf und blieb bis zu dessen Tod mit ihm in enger wissenschaftlicher Tätigkeit verbunden. K. war bestrebt, im geistigen Austausch mit Jacob Grimm, durch Kontakte mit der internationalen Gelehrtenwelt und mittels wissenschaftlicher Veröffentlichungen die slawistischen Interessen von Wien aus zu einer europäischen Angelegenheit zu machen. Das kulturpolitisch bedeutsame Ergebnis seines Wirkens war das von ihm betreute kulturell-reformatorische Lebenswerk von →Vuk Stefanovic Karadžic. Aus Sicht der Wissenschaftsgeschichte der Slawistik steht K., von der klassischen Philologie ausgehend, am Beginn einer kritisch-philologischen Betrachtungsweise sprachlicher Denkmäler. Er schrieb die erste wissenschaftliche Grammatik seiner Muttersprache und schuf die Grundlage zur Erforschung der Kernfragen der slawischen Kulturgeschichte und der Balkanistik. Damit legte er die Basis für die Wiener slawistische Schule, die sein Schüler und Nachfolger im Amt, →Franz von Miklosich, wissenschaftlich ausbaute. Gemeinsam mit →Klemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg war K. der erste österreichische Träger der Friedensklasse des preußischen Ordens Pour le Mérite. Seine wertvolle Privatbibliothek wurde für die Laibacher Lyzealbibliothek (heute Slowenische National- und Universitätsbibliothek / Narodna in univerzitetna knjižnica) angekauft. K. wurde auf dem St. Marxer Friedhof in Wien begraben, sein Leichnam 1897 exhumiert und nach Laibach überführt. Von K. gibt es laut eigenen Angaben keine Porträts.


Literatur: Biograph. Lex. Südosteuropas; NDB; SBL (m. L.); Wurzbach; Briefwechsel zwischen Dobrowsky und K. (1808–1828), in: Istocniki dlja istorii slavjanskoj filologii 1, ed. V. Jagic, 1885; Neue Briefe von Dobrowsky, K. und anderen Süd- und Westslawen, ebd. 2, ed. V. Jagic, 1897; N. Petrovskij, Pervye gody dejatel’nosti B. K., 1906; B. K.s Briefwechsel mit J. Grimm, ed. M. Vasmer, 1938 (Nachdruck 1987); P. Karel, P. J. Šafarik a B. K., 1938; Zoisova korespondenca, ed. F. Kidric, 1939–41; K.s Briefwechsel mit K. G. Rumy, in: Südosteuropäische Arbeiten des Deutschen Auslandswissenschaftlichen Instituts (Berlin) … 30/1, ed. F. Valjavec, 1942; St. Hafner, A. H. Hoffmann von Fallersleben und B. K., in: Die Welt der Slawen 2, 1957, S. 183–200; ders., Zwei Briefe der Brüder Grimm an B. K., ebd. 5, 1960, S. 292–298; J. Pogacnik, B. K., Leben und Werk, 1978 (m. W. u. L.); S. Bonazza, B. K., Italien und der Vatikan, 1980; St. Hafner, Eine vergessene Größe der Wiener Romantik: B. K., in: Biblos 44, 1995, S. 115–124; B. (J.) K. neue Studien und Materialien anlässlich seines 150. Todestages, ed. W. Lukan, 1995; ders., B. K.s „Bibliothekarischer Bericht“ – ein Dokument des Austroslawismus und die Probleme seiner Veröffentlichung, in: Nationalitäten und Identitäten in Ostmitteleuropa, 1995, S. 147–194; K. zbornik, red. J. Toporišic, 1996; W. Lukan, B. K. (1780–1844) und die europäische Wissenschaft im Spiegel seiner Privatbibliothek, Ljubljana 2000 (Kat.); I. Merchiers, Cultural Nationalism in the South Slav Habsburg Lands in the Early Nineteenth Century: The Scholarly Network of J. K. (1780–1844), 2007; UA, Wien.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 4 (Lfg. 17, 1967), S. 116f.
geboren in Repnje
gestorben in Wien

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