Karabaček, Joseph von

Karabacek Joseph von, Orientalist. * Graz, 20. 9. 1845; † Wien, 9. 10. 1918.

Sohn eines Militärbeamten; stud. an der Univ. Wien zunächst Jus, wandte sich jedoch 1866 der Orientalistik zu. 1868 Dr.phil., 1869 Priv.Doz. für Paläographie und Numismatik der islam. Völker an der Univ. Wien, 1874 ao. Prof., 1885–1915 o. Prof. für Geschichte des Orients und ihrer Hilfswiss., 1899–1917 Dir. der Hofbibl., Hofrat, 1904 nob., 1882 Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, 1898–1918 Sekretär der philosoph. hist. Kl. K. gründete bereits 1868 gem. mit Gen.-Konsul C. W. Huber (s. d.) die Wr. numismat. Ges. Im Zusammenhang mit der Numismatik beschäftigte er sich auch mit arab. Paläographie, mit Geweben und mit islam. Kunstgeschichte. 1883 gelang es ihm, etwa 10.000 kopt., griech., ägypt. und arab. Papyri aus dem Fund von El Faijûm durch die Munifizenz Erzh. Rainers tatkräftig gefördert, für Wien zu erwerben und in den folgenden Jahren durch neue Ankäufe bedeutend zu vermehren. K. gehörte noch der älteren Generation österr. Orientalisten an, die mit J. Frh. v. Hammer-Purgstall (s. d.) begann und in Baron A. v. Kremer ihren Höhepunkt erreichte. In der Zugehörigkeit zu einer Periode, in der die Orientalistik in voller Entfaltung stand und neue Wege zu betreten begann, mag Licht und Schatten in seiner wiss. Persönlichkeit beschlossen liegen. Eine typ. Künstlernatur, mit scharfem Blick für das Ungewöhnliche und mit intuitiver Erfassung des Interessanten, trug ihn die Phantasie gelegentlich weit über das gesteckte Ziel hinaus, so daß selbst sprachliche Interpretationen und epigraph. Tatsachen einbezogen wurden. Dies trifft allerdings nicht für jenes Gebiet zu, dem er fast 14 Jahre seines arbeitsreichen Lebens gewidmet hat und auf dem er unbestritten führend war, der arab. Papyrol. Gegenteiligen Behauptungen gegenüber muß festgestellt werden, daß er allein in der Entzifferung von etwa 4000 Papyri eine fachlich einwandfreie Riesenarbeit geleistet hat. Sein unumstrittenes Verdienst ist, schon in den achtziger Jahren des 19. Jhs. für das archäolog.-kunsthist. Gebiet eine gründliche Kenntnis der Realien und die Einbeziehung der Epigraphik, Paläographie und des einschlägigen Quellenmaterials gefordert zu haben, wie sie in den Jhn. vor ihm wohl angebahnt, später aber nur teilweise verfolgt worden war. K., der Neubegründer der arab. Paläographie, hatte eine ausgebreitete Kenntnis der Quellen, aus denen er mit Bienenfleiß umfangreiche Kollektaneen anlegte. Seine Belesenheit und sein Arbeitseifer waren erstaunlich. Die von ihm durch 18 Jahre geleitete Hofbibl. machte er weiten Kreisen zugänglich und veranstaltete mustergültige Ausst. der seiner Obhut anvertrauten Objekte.


Literatur: N.Fr.Pr., Wr.Ztg. und R.P. vom 10. 10. 1918; Kunstchronik 27, 1916, S. 28; Der Islam 10, 1919, S. 233–38; Almanach Wien, 1919; Feierl. Inauguration, 1919/20; Zentralbl. für Bibliothekswesen, 1919, S. 36; Stmk. Land, Leute, Leistung, 1956, S. 290 f.; Kosch, Das kath. Deutschland; Wininger; Wer ist' s? 1908.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 13, 1963), S. 228f.
geboren in Graz
gestorben in Wien

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