Johann, Bapt. Joseph Fabian Sebastian Erzhg. von Österr.

Johann Bapt. Joseph Fabian Sebastian, Erzherzog von Österreich, Feldmarschall. * Florenz, 20. 1. 1782; † Graz, 11. 5. 1859.

Er wuchs als 13. Kind des Großherzogs Leopold in Toskana auf. 1890 folgte er seinem Vater (K. Leopold II.) nach Wien. Nach dem Tode seiner Eltern (1792) wurde er dort unter der Obhut seines Bruders K. Franz II. (s. d.) erzogen. Der Schweizer Historiker Joh. v. Müller erweckte in ihm schon früh die Liebe zu den Alpenländern und das Interesse für Geschichte und Naturwiss. Nach kurzer militär. Ausbildung wurde der 18jährige mit dem nominellen Kmdo. einer Armee betraut und erlitt gegen die Franzosen eine Niederlage bei Hohenlinden (1800). 1801–49 Gen. – Geniedir., wobei ihm das Ing.-, Sappeur- und Mineurkorps unterstand, war er an der Befestigung der österr. Alpenländer maßgebend beteiligt. 1805 wurde er Oberdir. der Theres. Milit.-Akad. und führte das Kmdo. in Tirol. 1807 erwarb er das Gut Thernberg (N.Ö.) und widmete sich naturwiss. und landwirtschaftlichen Stud. 1808 wurde J. mit der Aufstellung der innerösterr. Landwehr betraut und siegte 1809 als Armeekmdt. bei Sacile und Caldiero über die Franzosen, kam aber zur Schlacht bei Wagram zu spät. 1811 begann J. mit seiner Kulturarbeit in der Stmk.und gründete das „Joanneum“ in Graz, das bald zum geistigen Mittelpunkt des Landes wurde. 1813 wurde er in die Alpenbund-Verschwörung verwickelt. Nach Eroberung der Feste Hüningen im Oberelsaß unternahm er 1815/16 eine Studienreise über Paris nach England. 1818 begann er mit der Bewirtschaftung des Brandhofes, einer Besitzung in der Oberstmk. 1819 gründete der Erzh. die Steiermärk. Landwirtschafts-Ges., für deren Reformarbeit er bis zu seinem Tode tätig war. Er widmete sich aber auch der Modernisierung des steir. Eisenbergbaues und der Eisenindustrie und erwarb 1822 ein Radwerk in Vordernberg. 1822 kaufte er auch einen Weingarten in der Südstmk., den er zu einem Musterbetrieb ausgestaltete. Schon früher hatte der Erzh. die Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl (1804–81) kennen und lieben gelernt. Erst nach langen Kämpfen erhielt er 1829 vom K. die Erlaubnis, sie zu heiraten. Sie wurde die Stammutter der weitverzweigten Familie der Gfn. v. Meran. Zu den richtunggebenden Bergsteigern der Frühzeit gehörend und waidgerechter Jäger, durchwanderte der Erzh. die Alpenländer und besonders die Stmk. Für die spätere volkskundliche Forschung ist die nach seinem Plan in den Jahren 1811–40 mit Fragebogen durchgeführte Landesaufnahme der Stmk. von größter Bedeutung. Später war die Tätigkeit J.s hauptsächlich wirtschaftlichen und techn. Aufgaben gewidmet (1829 Gründung der Wechselseitigen Brandschaden-Versicherungs-Ges., 1837 Beginn der Arbeiten für die Eisenbahnlinie Wien–Semmering–Graz–Triest, Gründung des Innerösterr. Industrie- und Gewerbever., 1840 Gründung der Montanschule in Vordernberg). Mehrere große Reisen führten ihn in militär. und wirtschaftlichen Missionen an den Rhein, nach Rußland, der Türkei und Griechenland. Durch die unter seinem Vorsitze in Graz abgehaltenen Versmlgn.der Naturforscher und Ärzte (1843) und der dt. Landwirte (1847) wurde sein Wirken im ganzen dt. Sprachgebiet bekannt. 1848 erwarb er 2 Eisenwerke in der Weststmk., war erster Kurator (1847–49) der unter seiner Mitwirkung begründeten Akad. d. Wiss. in Wien und begab sich dann zur Vorbereitung der Landesverteidigung nach Tirol. Vorübergehend übernahm er die Regierungsgeschäfte in Wien, wo ihn die Nachricht von seiner am 29. 5. 1848 von der Dt. Nationalversmlg. in Frankfurt erfolgten Wahl zum Reichsverweser überraschte. Nach der Eröffnung des konstituierenden Reichstages in Wien übersiedelte J. mit Frau und Sohn nach Frankfurt. Anfangs mit Jubel begrüßt, mußte er bald, von den Parteien umkämpft, von den Regierungen verlassen, die Schwierigkeiten seines Amtes erkennen. Er bemühte sich vergebens, die Einheit des Reiches zu bewahren und hielt auf Wunsch K. Franz Josephs (s. d.) bis zum 10. 12. 1849 auf seinem verlorenen Posten aus. Dann kehrte er in die Stmk. zurück und setzte hier seine kulturelle und wirtschaftliche Aufbauarbeit fort. 1850 wurde er von den Bewohnern des früher zu seiner Gutsherrschaft gehörigen Marktes Stainz (Weststmk.) zum Bürgermeister gewählt und nahm diese Wahl auch an. In seinen letzten Lebensjahren war der Erzh. besonders noch um die Förderung des heim. Gewerbes und Handels sowie auch der steir. Eisenindustrie bemüht. Auch auf sozialem Gebiete wirkte J. bahnbrechend (Bruderschaftslade für Berg- und Hüttenarbeiter, Dienstbotenordnung, Bau von Krankenanstalten und Arbeiterwohnungen). Am 11. 5. 1859 verschied der Erzh. nach kurzer Krankheit in seinem Grazer Palais. Seine Leiche wurde 1869 in sein geliebtes Land Tirol in die Grabkapelle des von ihm 1845 für seinen Sohn, Franz Gf. v. Meran (1839–91), erworbenen Schlosses Schenna überführt. Sein Andenken lebt, besonders in der Stmk., nicht nur in seinen noch heute blühenden Schöpfungen (Landesmus. Joanneum, Montanist. Hochschule, Techn. Hochschule, Hist. Ver. für Stmk. u. a.), sondern auch im Herzen des Volkes fort.


Literatur: N. Österr. Biographie 11, 1957; H. Hegenbarth, Bibliographie der Erzh. J.-Literatur, in: Steir. Berr. zur Volksbildung und Kulturarbeit, 1958, H. 3/4, S. 47–48; Jb. der Handelskammer für Stmk. 1958, S. 1–76; G. Scheuer, J. v. Österr. im Lichte der Presse, 1959; H. Wilfinger, Erzh. J. und Stainz, 1959; V. Theiß, Erzh. J. in der Geschichtsschreibung, in: Berr. und Informationen, Jg. 14, 1959, H. 668, S. 11–12; ders., Leben und Wirken Erzh. J., Bd. 1, in: Forschungen zur geschichtlichen Landeskde. der Stmk., Bd. 17, 1960; Berg- und Hüttenmänn. Monatshe., Jg. 104, 1959, H. 5; Der Anblick, Jg. 14, 1959, H. 5; Erzh. J. und die Stmk. (11 Vorträge zum steir. Gedenkjahr, hrsg. von F. Tremel), in: Z. des Hist. Ver. für Stmk., Sonderbd. 4, 1959; K. Prusik, Der Bergsteiger Erzh. J., 1959; Katalog der Erzh. J. Gedächtnisausst. (Joanneum Graz) 1959; Wurzbach; ADB; K.A. Wien.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 12, 1962), S. 122f.
geboren in Florenz
gestorben in Graz

Lifeline