Etrich, Igo

Etrich Igo (Ignaz), Flugpionier und Fabrikant. Geb.

Sohn des Textilfabrikanten Ignaz Etrich (1839–1927). – E. maturierte 1898 an der Oberrealschule in Trautenau (Trutnov), studierte drei Semester an der Handelshochschule in Leipzig und trat in das Unternehmen seines Vaters ein, den er u. a. beim Bau einer Flachsspinnerei in Russland unterstützte. Nach dem Tod Otto von Lilienthals hatten E. und sein Vater aus dessen Nachlass den „Sturmflügelapparat“ und den „Flügelschlagapparat“ zu Studienzwecken erworben. Gemeinsam bauten sie 1900/01 einen Gleitflieger, der jedoch nicht funktionstüchtig war. Als der auf Vermittlung von →Wilhelm Kress 1903 angestellte Ingenieur Franz Xaver Wels auf den javanischen Flugsamen Zanonia macrocarpa aufmerksam wurde, entstand in der Folge eine Reihe von Flugkörpern nach dessen Modell: 1904 flog ein unbemannter Zanonia-Gleiter mit 6 m Spannweite, 1905 meldeten E. und Wels ein Patent auf ihre „Flugmaschine“ an, danach entstand ein Nurflügelflugzeug von 15 m Spannweite. Während E.s erstes Motorflugzeug Etrich-I 1907 noch erfolglos getestet wurde, absolvierte Wels Anfang Oktober 1907 mit einem umgebauten Zanonia-Gleiter den ersten Gleitflug. 1908 verlegte E. seine Werkstätte in die Rotunde im Wiener Prater, wo er die Etrich-I (im Volksmund „Praterspatz“) testete, mit der schließlich Ende November 1909 ein Flug über das gesamte Wiener Neustädter Flugfeld gelang. Im Winter 1909/10 fertigte E.s Mitarbeiter →Karl Illner nach dessen Angaben die bekannte „Taube“ mit Rumpf (Erstflug April 1910), deren Serienbau die Firma Lohner in Wien übernahm. In Deutschland wurde mit →Edmund Rumpler ein Lizenzvertrag geschlossen, wobei es nicht gelang, die Tragflächenform zu patentieren, sodass bald die meisten Fabriken „Tauben“ lieferten. Mit der auch zu militärischen Zwecken genutzten „Taube“ wurden zahlreiche Flugwettbewerbe gewonnen und (Welt-)Rekorde aufgestellt. 1912 gründeten die E.s die Etrich-Flieger-Werke GmbH im schlesischen Liebau (Lubawka) mit „Tauben“-Produktion und Neuentwicklungen, 1914 waren sie Mitbegründer der Brandenburgischen Flugzeugwerke GmbH in Briest, deren Chefkonstrukteur, dann Direktor, Ernst Heinkel wurde, verkauften ihren Fabriksanteil jedoch 1915 an den Bankier und Börsenspekulanten Camillo Castiglioni. Nach dem 1. Weltkrieg wandte sich E. wieder der Textilindustrie und dem Bau von Flachsaufbereitungsmaschinen zu, konstruierte aber 1929 noch die als Volksflugzeug geplante, nicht in Serie gefertigte „Sport-Taube“. 1945 enteignet und inhaftiert, musste er im Oktober 1946 seine nordböhmische Heimat verlassen und zog nach Schwarzach in Niederbayern. Dort entwickelte er eine Schnellläuferstrecke für Faserbänder, die in der Kammgarnindustrie Verwendung fand. Aufträge ermöglichten ab 1955 deren Serienbau und neue Einkünfte aus den Patenten. 1950 übersiedelte E. mit seiner zweiten Frau nach Freilassing, 1961 nach Salzburg. Er war Ehrenpräsident des Salzburger Aero-Clubs und erhielt u. a. 1911 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1955 das Bundesverdienstkreuz und 1959 den Dr. Karl-Renner-Preis. 1944 Dr.-Ing. h. c. der TH Wien.


Literatur: Czeike (m. B.); R. Keimel, Flugzeuge der österreichischen Firma Lohner 1909–1923, 1990, S. 42–61; H. Salz – H. Waitzbauer, Im Flug über Salzburg. I. E. und der Beginn des Flugwesens in Salzburg, 1993 (m. B.); R. Keimel, I. E. – F. X. Wels – K. Illner, in: FLUG-Informationen 46, F. I–II/1996, 1996, S. 3–44 (m. B.); H. Salz, I. E., 2000 (m. B.); Technisches Museum Wien (m. B.).
Referenz: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)
geboren in Trutnov
gestorben in Salzburg

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