Ebner von Eschenbach, Marie Freifrau

Ebner von Eschenbach Marie Freifrau, Dichterin. * Schloß Zdislawitz bei Kremsier (Mähren), 13. 9. 1830; † Wien, 12. 3. 1916.

Väterlicherseits dem alten böhm. kathol. Adelsgeschlecht der Dubský von Trebomyslic (1608 in den Freiherren-, 1843 in den Grafenstand erhoben) und mütterlicherseits der sächs. protest. Familie Vockel (im 18. Jhdt. geadelt und in den Freiherrenstand erhoben) entstammend, wuchs sie inmitten einer großen Familie, weitverzweigter Sippen- und Schwägerschaft und mannigfacher Verbindungen und Beziehungen im Sommerhalbjahr auf Schloß Zdislawitz und in den Wintermonaten in Wien auf. Sie fühlte sich zeitlebens als Aristokratin, jedem Nationalismus fremd, fand früh über die herkömmliche Standeserziehung hinaus zu klassischer Lektüre und, unter dem Eindruck der Besuche im Burgtheater, zu ehrgeiziger dichterischer Produktion, über die Grillparzer 1847 ein ermunterndes Urteil fällte. 1848 vermählte sie sich mit ihrem feinsinnigen und verständnisvollen Vetter Moritz Frhrn. E. v. E. (s. d.), folgte ihm 1850 nach Klosterbruck bei Znaim und 1863 zurück nach Wien, das neben Zdislawitz und bei wenigen Reisen (zur Weltausstellung nach Paris und nach Rom) ihr ständiger Aufenthalt wurde. Ihre dichterische Produktion entfaltete sich nun, in kinderloser Ehe, rasch. Sie versuchte sich zunächst erfolglos als Dramatikerin (histor. Dramen nach dem Vorbild Schillers, Gesellschaftsstücke und Lustspiele aus der Gegenwart), dann als Erzählerin, wurde jedoch erst 1879 durch den Abdruck der Erzählung „Lotti, die Uhrmacherin“ in der führenden Monatsschrift „Deutsche Rundschau“ (J. Rodenberg) bekannt. Ihr Ruhm als Erzählerin nahm nun stetig zu, sie trat in freundschaftliche und fördernde Beziehungen zu zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten (bes. J. Rodenberg, L. v. François, P. Heyse, E. v. Handel-Mazzetti) und ihr 70. und 80. Geburtstag wurdenin ganz Österreich und Deutschland festlich begangen (1900 Dr.phil.h.c. der Univ. Wien). Bedeutendste Dichterin Österreichs und neben der Droste-Hülshoff des deutschsprachigen Raumes überhaupt. Hervorragendste Vertreterin der realist. österr. Heimaterzählung, meisterhafte Aphoristikerin und Verfasserin wertvoller autobiograph. Schriften. In ihrer Einstellung gesellschaftskritisch, patriarchalischsozial, ethisch-didaktisch und humorvoll.


Literatur: A. Bettelheim, M. v. E.-E., 1900; E. Schmidt, M. v. E.-E., in: Charakteristiken, 2, 1901, 2. Aufl. 1912; P. Rosegger, Unsere größte Dichterin, in: Heimgarten, 25, 1901; A. Bettelheim, M. v. E.-E.s Wirken und Vermächtnis, 1920; N. österr. Biogr. 1, 1923; Sudetendeutsche Lebensbilder, hrsg. von E. Gierach, 1, 1926; A. Bettelheim, M. v. E.-E., in: Dt. Biogr. Jb., Überleitungsband I, 1925; E. M. O'Connor, M. E. (engl.), 1928; K. Offergeld, M. v. E.-E., Untersuchungen über ihre Erzählungstechnik, 1917; J. Mumbauer, Der Dichterinnen stiller Garten (M. v. E.-E. und E. v. Handel-Mazzetti, mit vielen Briefen), 1918; M. F. Radke, Das Tragische in den Erzählungen von M. v. E.-E., Diss. Marburg, 1919; H. A. Koller, Studien zu M. v. E.-E., Diss. Zürich, 1920; M. Gögler, Die pädagogischen Anschauungen der M. v. E.-E., Diss. Tübingen, 1931; M. Hans, Die religiöse Weltanschauung der M. v. E.-E., Diss. Frankfurt, 1934; H. Rieder, Die Gemeinschaft in den Erzählungen der M. v. E.-E., Diss. Wien, 1934; M. Alkemade, Die Lebens- und Weltanschauung der M. v. E.-E. (enthält den Briefwechsel mit P. Heyse), 1935; M. R. Doyle, Catholic atmosphere in M. v. E.-E., 1936; E. Fischer, Die Soziologie Mährens in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s als Hintergrund der Werke der M. v. E.-E., Diss. Leipzig, 1939; J. Slama, M. v. E.-E. und das Burgtheater, Diss. Wien, 1944; E. Felbinger, M. v. E.-E.s dramatische Arbeiten, Diss. Wien, 1947; F. Egger, M. v. E.-E. und J. S. Turgenjew, Diss. Innsbruck, 1948; G. Motzko, Die Ständetypen in den Werken der M. v. E.-E., Diss. Wien, 1948; E. Schadauer, Gesellschaft und Kultur Österreichs im Spiegel der Novellen F. v. Saars und M. v. E.-E.s, Diss. Wien, 1949; H. Wallach, Studien zur Persönlichkeit M. v. E.-E.s, Diss. Wien, 1950; Nagl-Zeidler-Castle. s. Reg.; Kosch, Literaturlex.; Giebisch-Pichler-Vancsa; Brümmer; Körner.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), S. 211f.
geboren in Zdislavice
gestorben in Wien

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