Czernin, Ottokar Gf.

Czernin Ottokar Graf, Staatsmann. * Dymokury b. Podebrad, 26. 9. 1872; † Wien, 4. 4. 1932.

Stud. Jus an der Prager Dt. Univ., stand im Haag und in Paris im diplomatischen Dienst, den er wegen eines Lungenleidens unterbrach. Seit 1903 Mitgl. des böhmischen Landtags (Verfassungspartei), seit 1912 des Herrenhauses, bekannte sich als Deutscher und trat für Versöhnung mit den Tschechen ein. Auf besonderen Wunsch des Thronfolgers Erzh. Franz Ferdinand, dem er persönlich nahestand und der sich von ihm beraten ließ, kehrte er 1913 in den diplomatischen Dienst zurück und ging als Gesandter nach Bukarest, wo er bis zum Ausbruch des rumänischen Krieges im August 1916 verblieb. Nach der Thronbesteigung K. Karls wurde er am 23. 12. 1916 Min. des Äußern. Er begann seine Amtstätigkeit mit einem erfolglosen Friedensangebot, das er am 30. 3. 1917 neuerlich erfolglos wiederholte. Am 2. 10. 1917 erklärte er Gerechtigkeit, Abrüstung, Schiedsgericht, Freiheit der Meere, Vermeidung eines Wirtschaftskrieges als Basis für einen Frieden und als Rechtsgrundlage eines neuen Europa. Auf Drängen Ludendorffs hatte er aber im April 1917 in die Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkrieges gewilligt. Er war an den Friedensschlüssen mit der Ukraine (9. 2. 1918), mit Rußland (3. 3. 1918) und mit Rumänien (14. 4. 1918), die den Höhepunkt seines Ansehens bedeuteten, maßgebend beteiligt. C.s Rolle in der sogenannten „Sixtusaffaire“ ist noch nicht zur Gänze geklärt; als die Sache im April 1918 durch Clemenceau bekannt wurde, rief sie in Deutschland schwere Verstimmung hervor und C. trat am 14. 4. 1918 zurück. Nach dem Umsturz lebte er im Salzkammergut, da er durch die tschech. Bodenreform seinen Besitz in Böhmen verloren hatte. 1920–23 Abg. der „Demokratischen Partei“ im Nationalrat der Republik Österreich.


Literatur: A.Z. und R.P. vom 6., N.Fr.Pr. vom 17. 4. 1932; A. Demblin, Cz. und die Sixtus-Affaire, 1920; S. de Bourbon, L’offre de paix séparée de l’Autriche, 1920; R. Fester, Die Politik K. Karls und der Wendepunkt des Weltkrieges, 1925; A. Polzer-Hoditz, K. Karl, 1929; E. Glaise-Horstenau, Die Katastrophe, 1929; K. v. Werkmann, Deutschland als Verbündeter, K, Karls Kampf um den Frieden, 1931; R. Kiszling, Erzh. Franz Ferdinand, 1953; Gotha, Grafen, 1942.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 162
geboren in Dymokury
gestorben in Wien

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