Bienerth-Schmerling, Richard Gf.

Bienerth-Schmerling Richard Graf, Staatsmann. * Verona, 2. 3. 1863; † Wien, 3. 6. 1918.

Sohn des Festungskmdt. von Krakau FZM. Karl v. B. und der Tochter Schmerlings (s. d.), Violetta; stud. am Theresianum, trat 1884 in den polit. Verwaltungsdienst ein, kam 1886 ins Unterrichtsmin., 1897 Ministerialrat und Leiter des Präsidialbüros, 1899 Vizepräs. des n.ö. Landesschulrates, 1905 Geh. Rat und Unterrichtsmin. im Kabinett Gautsch und im Kabinett Hohenlohe, 1906–08 Min. des Innern im Kabinett Beck, führte die Wahlreform und die ersten Wahlen nach dem allgem. Stimmrecht durch. Nach dem Rücktritt Becks, vom 15. 11. 1908 bis 26. 6. 1911 Min.-Präs. in einem reinen Beamtenkabinett (nur 3 parlamentarische Landsmannmin.). Wegen der fortgesetzten Obstruktion der Tschechen verfügte B. im Februar 1909 die Schließung des Reichsrates und des böhmischen Landtages und rekonstruierte sein Kabinett mit Parteimännern; trotz der heftigen tschech. Obstruktion wurde im März während der Annexionskrise das Rekrutierungskontingent von der Mehrheit des Parlaments bewilligt. Auf Vermittlung des Polenklubs stellten die Tschechen im Dezember 1909 die Obstruktion ein und Budgetprovisorium und Ermächtigungsgesetz wurden erledigt; die von den Tschechen geforderte Parlamentarisierung der Regierung wollte Bienerth erst nach einer Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen zugestehen. Als es im Sommer und Herbst 1910 zum Konflikt mit dem Polenklub wegen der von der Regierung nicht zugestandenen Ausführung des Kanalgesetzes kam und auch die Versuche, den böhmischen Landtag arbeitsfähig zu machen, scheiterten, trat B. im Dezember 1910 zurück, wurde aber mit der Fortführung der Geschäfte und der Bildung des neuen Kabinetts betraut. Nach Durchführung von Neuwahlen schied B. am 26. 6. 1911 aus dem Amte. 1911–15 als Nachfolger Kielmanseggs Statthalter von N.Ö.; 1915 Graf; B. suchte zwischen den polit. und nationalen Gegensätzen zu vermitteln und das Deutschtum durch Schutzgesetze gegen die slaw. Vorstöße in seinem Bestand zu erhalten.


Literatur: A.Pr., Wr.Ztg. und R.P. vom 3. 6. 1918; K. Baernreither, Verfall des Habsburgerreiches. 1939; Österr. Rundschau 25, 1910; Czedik; M. V. Frh. v. Beck, D. Kaiser und die Wahlreform, in: E. v. Steinitz, Erinnerungen an Franz Joseph, 1931; Uhlirz, II/2. S. 1127–29
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 83f.
geboren in Verona
gestorben in Wien

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