Andrian-Werburg, Leopold Frh. von

Andrian-Werburg Leopold Frh. von (Andrian, von; Andrian zu Werburg), Schriftsteller und Diplomat. Geb. Berlin, Preußen (D), 9. 5. 1875; gest. Freiburg/Fribourg (CH), 19. 11. 1951 (begraben: Altaussee, Steiermark); röm.-kath.

Sohn von →Ferdinand Reichsfrh. von Andrian-Werburg und Cäcilia Andrian-Werburg, geb. Meyerbeer (geb. Paris, F, 1839; gest. Salzburg, Salzburg, 15. 3. 1931), Tochter des Komponisten Giacomo Meyerbeer; 1923 Heirat mit Andrée Hélène Bourée, verwitweter Baronin Wimpffen (gest. Nice, F, 1946), 1949 Heirat mit Margaret-Eadi Ramsay, verwitweter Jarvie. – A. besuchte 1885–87 das Jesuitenkollegium Kalksburg, 1888/89 das Gymnasium in Meran (Merano) und 1890–93 das Wiener Schottengymnasium. Daneben erhielt er Privatunterricht durch den Literaturwissenschaftler Oskar Walzel. Bereits als Schüler zeigte A. literarische Ambitionen und legte 1888 als Erstlingswerk den Romanzenzyklus „Hannibal“ vor. 1893 machte er die Bekanntschaft →Hugo Hofmann von Hofmannsthals, mit dem ihn bis zu dessen Tod eine sehr enge Freundschaft verband. In den folgenden Jahren veröffentlichte A., der dem literarischen Zirkel „Junges Wien“ um →Hermann Bahr nahe stand, in Stefan Georges „Blättern für die Kunst“ eine Reihe von Gedichten. Aufsehen erregte er in Schriftstellerkreisen mit seiner 1895 erschienenen Novelle „Der Garten der Erkenntnis“. Das Werk gilt mit seinen autobiographischen Bezügen als Schlüsseltext der Wiener Moderne. In der Folge konnte A. vor allem wegen starker Selbstzweifel nicht an diesen Erstlingserfolg anschließen, seine weitere literarische Produktion blieb fragmentarisch. 1894–97 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Wien; 1899 Dr. jur. Anschließend war er als Konzeptsaspirant im Ministerium des Äußeren tätig und trat nach der Diplomatenprüfung 1900 in den diplomatischen Dienst ein. Zunächst unbesoldeter Gesandtschaftsattaché in Athen, wurde er 1902 nach Rio de Janeiro versetzt und 1904 tit. Legationssekretär. Nach temporärer Zuteilung zur Gesandtschaft in Buenos Aires war er 1905–07 an der Botschaft in St. Petersburg; 1906 Legationssekretär. 1907–08 in dieser Funktion in Bukarest (Bucure→ti), war er bis 1909 Geschäftsträger der Gesandtschaft in Athen; in diesem Jahr Legationssekretär I. Kategorie. Nach zwischenzeitlicher Verwendung im Ministerium des Äußeren (1910 tit. Legationsrat II. Kategorie) leitete A. 1911–14 das österreichische Generalkonsulat in Warschau; 1912 Legationsrat II. Kategorie, 1914 Legationsrat I. Kategorie extra statum. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs war er erneut im Ministerium des Äußeren tätig; 1917 Referent für Polen und außerordentlicher Gesandter. In dieser Funktion nahm er an den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk teil. Nach seinem Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst übernahm er 1918 kurzfristig das Amt eines Generalintendanten der Hoftheater. Nach dem Umbruch lebte A., der sich zeitlebens der Monarchie verpflichtet fühlte, als Privatier in Altaussee und Nizza und war häufig auf Reisen. Ende der 1920er-Jahre trat er als Autor philosophisch-theologischer und politischer Schriften in Erscheinung. Von der verstärkten Hinwendung zum Katholizismus zeugte sein 1930 erschienenes Werk „Die Ständeordnung des Alls“, in der er gemäß der Lehre Thomas von Aquins eine hierarchische, in der Ordnungsmacht der Kirche verkörperte Weltordnung entwarf. Eine zentrale Stellung in A.s politischem Denken nahm die Idee der nationalen Eigenständigkeit Österreichs ein, die er in der 1937 veröffentlichten Schrift „Österreich im Prisma der Idee“ vor dem Hintergrund der drohenden Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland erörterte. Nach dem „Anschluss“ hielt sich A. vorerst in Frankreich, Liechtenstein und der Schweiz auf. In konservativen österreichischen Exilkreisen übte er aufgrund seiner außenpolitischen Erfahrung und seiner weitverzweigten Kontakte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus, u. a. durch seine Beratertätigkeit für Otto (von) Habsburg. 1940 flüchtete A. über Spanien und Portugal nach Brasilien, wo er neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit als Übersetzer arbeitete. 1945 kehrte er nach Europa zurück. Seine letzten Lebensjahre verbrachte A. in Frankreich und in der Schweiz. 1908 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Klasse, 1916 das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens am Band des Militärverdienstkreuzes mit dem Stern.


Literatur: Bautz; Killy; H. Schumacher, L. A., 1967 (m. B. u. W.); Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, ed. H. Wiesner, 2. erweiterte und aktualisierte Aufl. 1987 (m. W.); U. Prutsch, L. v. A. – ein Legitimist im Exil (Frankreich, Brasilien), in: Zweimal verjagt. Die deutschsprachige Emigration und der Fluchtweg Frankreich – Lateinamerika 1933–1945, ed. A. Saint Saveur-Henn, 1998, S. 155–166; L. v. A. (1875 – 1951), ed. U. Prutsch – K. Zeyringer, 2003 (m. B., W. u. L.); K. Zeyringer, Rio de Janeiro. 1942: L. v. A., P. Fischauer, St. Zweig und andere, in: Diaspora – Exil als Krisenerfahrung: Jüdische Bilanzen und Perspektiven, ed. A. Eidherr u. a., 2006, S. 262–280; G. Riederer, Der letzte Österreicher. L. v. A. und sein Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach, 2011; UA, Wien.
Referenz: ÖBL Online-Edition, Bd. (Lfg. 2, 2013)
geboren in Berlin
gestorben in Freiburg

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