Tschuppik, Karl

Tschuppik Karl, Ps. Kajetan, Journalist. Geb. Melnik, Böhmen (Mělník, CZ), 26. 6. 1876; gest. Wien, 22. 7. 1937.

Entstammte einer dt.böhm. Off.- und Beamtenfamilie. Sohn von Friedrich T., Ing. bei der Nordwestbahn, und dessen Frau Ludmilla T., geb. Komarek, Bruder des Journalisten Walter T. (geb. Leitmeritz, Böhmen / Litoměřice, CZ, 7. 7. 1899; gest. Wien, 17. 4. 1955), der ca. 1919–26 beim „Prager Tagblatt“, danach als Chefred. der „Süddeutschen Sonntagspost“, 1933–38 als solcher beim „Prager Montag“ tätig war und 1939 nach London emigrierte; verheiratet mit Berta T., geb. Proskauer. – Nach dem Besuch der Realschule begann T. 1897/98 ein Stud. an der dt. TH in Prag, das er jedoch abbrach. Schon während dieser Zeit arbeitete er an der Prager MS „Akademie“ mit und war ab 1899 für fast zwei Jahrzehnte ständiger Mitarb. des „Prager Tagblatts“. Hier stieg er vom Lokalred. unter →Heinrich Teweles zum Chef vom Dienst und nach dessen Abgang Anfang 1911 zum Chefred. auf, wobei er die von Teweles begonnenen Reformen fortsetzte und die Ztg. als eine der bedeutendsten dt.sprachigen Tagesztg. der Monarchie positionierte. Im Unterschied zu Teweles befürwortete er einen nationalen Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen in den böhm. Ländern; sein Versuch, das dt. Bürgertum Prags für eine verständigungsbereite Politik zu gewinnen, schlug indes fehl. Diese Haltung brachte ihn in Gegensatz zu den Eigentümern der Ztg. und führte im Frühjahr 1917 zu seiner Ablöse. T. übersiedelte nach Wien und trat Anfang 1918 als Chef vom Dienst in die Red. der pazifist. Wochenztg. „Der Friede“ ein, wo er u. a. mit Alfred Polgar, →Egon (Erwin) Kisch, Anton Kuh, →Walther Rode und →Joseph (Josef) Roth, der später zu seinen engsten Freunden zählte, zusammenarbeitete. Die meisten von ihnen wurden auch als Mitarb. für die im März 1919 gegr. Tagesztg. „Der neue Tag“ verpflichtet. Aufgrund von Differenzen über die polit. Linie des „Neuen Tags“ gegenüber der Sozialdemokratie verließ T. jedoch Mitte Juni 1919 die Ztg. Er wechselte zum „Neuen Wiener Tagblatt“, dessen Red. er bis 1922 angehörte, schrieb aber, nachdem die Unstimmigkeiten mit den Hrsg. des „Prager Tagblatts“ beigelegt werden konnten, auch wieder für seine frühere Ztg. als deren Wr. Mitarb. Daneben verf. er Artikel und Feuilletons für andere Ztg., wie das „Montagsblatt aus Böhmen“, die Wr. „Arbeiter-Zeitung“, das „Berliner Tageblatt“, die „Frankfurter Zeitung“ und den Pariser „Temps“. T., der in Wien zu einer legendären, öff. Figur, ähnl. Peter Altenberg (→Richard Engländer), avancierte, wechselte im März 1923 als Chefred. zu der von Imre Békessy neu hrsg. Ztg. „Die Stunde“, dem ersten modernen Wr. Boulevardbl. Schon wenige Monate nach Gründung des Bl. entfachte er eine heftige Kampagne gegen die Wr. Sittenpolizei sowie Polizeipräs. →Johannes Schober. Als im Herbst 1923 Békessys erpresser. Geschäftspraktiken erstmals ruchbar wurden, stellte sich T. vorerst verteidigend vor seinen Hrsg. Erst als Békessys Machenschaften im Frühjahr 1926 in ihrer ganzen Weite bekannt wurden und dies zu seiner Flucht nach Paris führte, zog auch T. die Konsequenzen und legte im Juli 1926 die Chefred. zurück. Er übersiedelte nach Berlin, wo er bis 1933 nur noch als freier Journalist für dt. und österr. Bll., v. a. aber als Schriftsteller tätig war. 1928 erschien seine – von der Presse und den Kritikern gelobte – Biographie über K. →Franz Joseph I., 1929 jene über Kn. →Elisabeth, 1931 die über Gen. Erich Ludendorff, die 1933 im Dt. Reich verboten wurde. Anfang März 1933 kehrte er nach Wien zurück und schrieb hier 1934–36 regelmäßig für die „Wiener Sonn- und Montags-Zeitung“, nach deren Einstellung von April 1936 bis zu seinem Tod für das Wr. Montagsbl. „Der Morgen“. T., dt.sprachig erzogen, bewahrte sein Leben lang große Sympathien für die kulturelle Vielfalt Böhmens und die polit. Anliegen der dortigen tschech. Mehrheit. Er war ein glänzender Unterhalter sowie Geschichtenerzähler und befreundet mit zahlreichen Berufskollegen wie →Stefan Grossmann und →Maximilian Schreier. Sowohl Grossmann wie auch Hermann Kesten setzten ihm literar. in Romanen ein Denkmal.


Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 495f.
geboren in Mělník
gestorben in Wien

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