Türr, István

Türr István (Stephan), eigentl. Thier, Offizier und Freiheitskämpfer. Geb. Baja (H), 11. 8. 1825; gest. Budapest (H), 3. 5. 1908.

Sohn des Eisenhändlers Jakab Thier und von Terézia Thier, geb. Udvary; ab 1861 verheiratet mit Adeline T., geb. Bonaparte-Wyse (1838–1899). – T. trat nach dem Abbruch seiner Schulausbildung 1842 freiwillig in das k. k. IR Nr. 52 ein, nahm mit diesem als Lt. 1848 am 1. Italien. Unabhängigkeitskrieg teil und desertierte im Jänner 1849 zum piemontes. Heer. Dort wurde er – zum Hptm. befördert – mit der Aufstellung einer ung. Legion betraut. Nach deren Auflösung im Mai 1849 schloss sich T. den badischen Aufständischen an und erreichte dort den Rang eines Obst. 1850–53 befand sich T. in der Schweiz, in Frankreich, England und im Piemont. Nach dem mazzin. Aufstand in Mailand im Februar 1853 wurde er gefangen genommen und nach Tunis ins Exil verbannt. Im Krimkrieg (1853–56) stand er zuerst im türk., dann im engl. Dienst. Als Kriegsmaterial-Akquisiteur wurde T. in den Donaufürstentümern von den Österreichern verhaftet, im November 1855 in Kronstadt (Brașov) vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt, aber auf engl. Intervention im Februar 1856 aus der Gefangenschaft entlassen. Im selben Jahr kämpfte er im Kaukasus auf Seiten der Tscherkessen gegen die Russen, 1859 an der Seite von Giuseppe Garibaldi gegen die Österreicher und wurde schwer verwundet. 1860 fungierte T. als erster Flügeladj. von Garibaldi, nahm an der Landung auf Sizilien bei Marsala und an der Einnahme von Palermo teil, worauf er zum Gen. und später zum Gen.insp. von dessen Armee ernannt wurde. Unter seiner Führung stand die 15. Div., dazu gehörte auch die ung. Legion. Nach der Besetzung von Neapel wurde T. im September 1860 Kmdt. dieser Stadt und der Region. Im Oktober 1860 nahm er an der Schlacht am Volturno teil, 1861 wurde er FML des italien. Heers, Gen.insp. der ung. Legion in Italien und diente 1862–64 als Flügeladj. von Viktor Emanuel II.; während des Kriegs 1866 erfüllte er diplomat. Missionen. Im selben Jahr bereitete er im Einverständnis mit Otto v. Bismarck von Serbien aus einen Einfall nach Ungarn vor und verhandelte später über ein Abkommen zwischen Frankreich, Italien und Österr. Nach dem Ausgleich 1867 amnestiert, kehrte T. nach Ungarn zurück, wo er regen Anteil am kulturellen und wirtschaftl. Leben nahm. Er setzte sich für die Volksbildung ein und gründete 1870 den Corvina-Ver. In den 1870er-Jahren war die Planung und der Bau des Franzenskanals (Veliki kanal) in der Wojwodina ebenso eng mit seinem Namen verbunden wie die Vorbereitungsarbeiten zum Bau des Panamakanals. In Paris gründete er eine Ges. zur Erbauung des Kanals von Korinth und erhielt eine Konzession durch die griech. Regierung; 1882 erfolgte der Spatenstich, 1893 die Eröffnung. Weiters publ. T. zahlreiche polit. Schriften. Er galt – trotz seiner militär. Vergangenheit – als bedeutende Persönlichkeit der internationalen Friedensbewegung und lernte auch →Bertha Freifrau v. Suttner persönl. kennen. 1899 fungierte er als Vors. des 7. internationalen Friedenskongresses in Budapest. T. wurde u. a. mit dem Ritterkreuz der Légion d’honneur sowie mit dem Off.kreuz des Ordine dei SS. Maurizio e Lazzaro ausgez. Ab 1854 war er Mitgl. der Freimaurerloge Mont Sinai, 1869–71 Hauptmeister, ab 1899 lebenslängl. Hauptmeister der Freimaurerloge Corvin Mátyás sowie Ehrenmitgl. der Freimaurerloge Hungária.


Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 506
geboren in Baja
gestorben in Budapest

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