Inländer, Ludwig

Inländer (Inlender) Ludwig (Ludwik), Ps. Vindex, Politiker und Bahnbeamter. Geb. Buczacz, Galizien (Bučač, UA), 22. 11. 1849; gest. Lemberg, Galizien (Lʼviv, UA), 31. 8. 1900.

Sohn des Arztes Jakub Inländer (geb. Brody, Galizien / UA, um 1810) und der Adela Inländer, geb. Rawska (geb. 1825; gest. Lemberg, 1897), Bruder des Apothekers, Journalisten und Sozialisten Adolf Inländer (geb. 19. 12. 1853; gest. 27. 2. 1920) und von Henriette Inländer, verheiratete Rucker (1851–1919), Cousin von →Ludwig Gumplowicz, Vater von Heinrich Inländer (geb. Lemberg, 1883; gest. Dortmund, Deutsches Reich / D, 1941, nach Inhaftierung im Offizierslager VI-E Dorsten) und von Maria Inländer (geb. Lemberg, 1886; gest. Warschau, Generalgouvernement / PL, 1943, ermordet), der Ehefrau des Journalisten und Redakteurs der Wiener Allgemeinen Zeitung Eduard Goldscheider (geb. Bukaczowce, Galizien / Bukačivci, UA, 6. 3. 1872; gest. Wien, 22. 5. 1935); verheiratet mit Henriette Inländer, geb. Recheles, später Roden (geb. Tarnopol, Galizien / Ternopil’, UA, 25. 3. 1859; gest. Wien, 2. 8. 1939). – I. studierte an der Universität Lemberg. Er war ab 1871 zeit seines Lebens – mit einer kurzen Unterbrechung 1874–75 – im Eisenbahndienst tätig (anfangs bei der Dnjestr-Bahn, ab 1875 bei der Karl-Ludwig-Bahn, zuletzt als Oberoffizial bei der Staatsbahndirektion Lemberg und Stellvertreter des Abteilungsvorstands für Personalangelegenheiten). I. spielte eine zentrale Rolle in den Anfängen der sozialistischen Bewegung in Lemberg. Schon als Student frequentierte er sozialistische Kreise und hielt gemeinsam mit →Ivan Franko vor Arbeitern und Handwerkern Vorträge zu den Grundlagen des Sozialismus. Zusammen mit seinem Bruder wurde er im Oktober 1879 festgenommen, bald aber wieder freigelassen. Unter Pseudonym publizierte er Beiträge im Genfer Exilblatt „Równość“. Gemeinsam mit Bolesław Czerwieński gründete er die (weitgehend von ihm selbst finanzierte) Zeitschrift „Praca“, die einen Kristallisationspunkt sozialistischer Kreise in Galizien bildete. Im Dezember 1879 veröffentlichte er dort zusammen mit Czerwieński, →Antoni Mańkowski und Józef Daniluk unter dem Titel „Nasze żądania“ ein erstes Manifest der Lemberger Sozialisten. Er war weiters neben Franko und Czerwieński einer der Autoren des „Program socjalistów polskich i ruskich Galicyi Wschodniej“, das 1881 in Genf von →Bolesław Limanowski als „Program Socjalistów Galicyjskich“ veröffentlicht und von Franko als „Čoho choče galicʼka robitnyča hromada“ auf Ukrainisch herausgegeben wurde. Im selben Jahr verfasste I. zusammen mit Czerwieński das „Program Galicyjskiej Partii Robotniczej“. In diesem wurde u. a. ein Zehn-Stunden-Arbeitstag, die Gründung freier Gewerkschaften und die Einrichtung von Unterstützungskassen und kostenlosen Gewerbeschulen gefordert. Später zog sich I. von der politischen Arbeit zurück, sympathisierte aber weiterhin mit dem Sozialismus. Er besaß eine mehrere tausend Titel zählende Bibliothek mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Gesellschaft und war sehr literaturinteressiert. So rezensierte er etwa →Maria Konopnickas ersten Lyrikband sehr positiv und unterstützte Franko bei der Veröffentlichung von dessen Novelle „Na dni“ (1880).


Literatur: Szematyzm Królestwa Galicji i Lodomerii za lata 1880–1900 (Schematismus der Königreiche Galizien und Lodomerien für die Jahre 1880–1900); E. Haecker, Historia socjalizmu w Galicji i na Slasku Cieszynskim (Die Geschichte des Sozialismus in Galizien und im Teschner Schlesien), 1933; Z. Kormanowa, Materiaty do bibliografii druków socjalistycznych na ziemiach polskich w l. 1866–1918 (Materialien zu einer Bibliographie der sozialist. Drucke in den poln. Ländern 1866–1918), 1949.
Referenz: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
geboren in Butschatsch
gestorben in Lemberg

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