Stahl, Philipp von

Stahl Philipp von, Beamter. Geb. Bruchsal, Fürstbistum Speyer (Dtld.), 1760; gest. Wien, 26. 1. 1831.

Sohn eines Baumeisters und Architekten. S. besuchte die Lateinschule in Bruchsal und stud. ab 1778 an der Univ. Tübingen, ab 1781 an der Univ. Göttingen Jus. Da der Versuch, in seiner Heimat Fuß zu fassen, fehlschlug, wandte sich S. an den Wr. Hof und war 1788–91 der Botschaft in St. Petersburg zugeteilt. Er trat danach endgültig in den österr. Staatsdienst und wurde, nach Wien zurückgekehrt, 1792 Konz. in der Kanzlei des inländ. Staatsrats, machte rasch Karriere, wurde 1796 Hofsekr. und war ab 1798 in der böhm.-österr. Hofkanzlei mit böhm. Angelegenheiten befaßt. 1799 wurde S. Kreishptm. für den Elbogener Kreis und in den Ritterstand erhoben. 1802 kehrte er als w. HR nach Wien in die böhm.-österr. Hofkanzlei zurück. 1803 wurde er außerdem 1. Rat der Polizeihofstelle und erstattete als Vertrauensmann der Kabinettsministers Franz de Paula Gf. Colloredo-Wallsee K. Franz II. (I.) (s. d.) regelmäßig Bericht. S., der dadurch direkten Einfluß auf den K. gewann, wurde 1804 zum Staats- und Konferenzrat in inländ. Angelegenheiten ernannt. Auf Betreiben Erzhg. Karls (s. d.) wurde er vom K. jedoch seiner einflußreichen Ämter enthoben und als Vizepräs. zum böhm. Gubernium nach Prag versetzt, trat jedoch diese Stelle nicht an, sondern wurde 1806 in die Finanzkomm. berufen, die den Staatshaushalt sanieren sollte, und arbeitete nunmehr eng mit Erzhg. Rainer (s. Rainer Josef) in finanzpolit. Angelegenheiten zusammen. Als S. 1808 Vizepräs. des Hofkammerpräsidiums werden sollte, überwarf er sich erneut mit dem K. und wurde schließl. 1810 Vizepräs. des mähr.-schles. Guberniums in Brünn (Brno); 1812 Geh. Rat. Nach der Niederlage Frankreichs 1815 kurzfristig mit der Verwaltung eines französ. Gouvernements beauftragt, wurde S., der sich zunehmend liberalem Wirtschaftsdenken im Sinne von Adam Smith zugewandt hatte, 1816 zum Präs. der Hofkommerz-Komm. berufen, welche nach der langen Kriegszeit die Wirtschaft der österr. Monarchie durch Reformen neu beleben sollte. Intensive Förderung der Ind. und Einführung neuer Ind.zweige gehörten ebenso zu S.s Programm wie die Bestrebungen, die Verkehrsbehinderungen zu Wasser und zu Land zu beseitigen, oder der – nicht verwirklichte – Plan zur Einrichtungen von HK in den Landeshauptstädten. 1824 wurde die Komm. aufgelöst, womit S., obwohl zum Hofkanzler bei der Vereinigten Hofkanzlei avanciert, seinen persönl. Einfluß auf die Politik weitgehend verlor. 1830 trat er i. d. R.


Literatur: Egerländer Biograf. Lex. 2; Gräffer-Czikann; Slokar, s. Reg.; Wurzbach (s. u. Ignaz S.); H. Rumpel, in: MÖStA 8, 1955, S. 79ff.
Autor: (E. Lebensaft – Ch. Mentschl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 81f.
geboren in Bruchsal
gestorben in Wien

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