Navrátil, Josef

Navrátil Josef, Maler. * Schlan (Slaný, Böhmen), 17. 2. 1789; † Prag, 21. 4. 1865.

Erlernte bei seinem Vater den Beruf eines Zimmermalers, stud. dann 1819–23 an der Prager Akad. der bildender Künste. 1843–58 unternahm er vier Reisen nach Deutschland, in die Schweiz, wahrscheinlich auch nach Österr., Belgien und Frankreich. Mitgl. der Jednota výtvorných umelcu (Vereinigung bildender Künstler) in Prag, 1850 deren Vorsitzender. N. bestritt seinen Lebensunterhalt als Zimmerdekorateur und war als Landschaftsmaler, Figuralist, Genremaler und Maler von Stilleben vielseitig tätig. Seine Dekorationsarbeiten zeichneten sich trotz Qualitätsunterschieden (erklärbar durch die Beteiligung seiner Werkstätte) in Originalität des Entwurfs, Sicherheit in der Komposition, überraschendes Verständnis für Licht- und Farbwerte sowie durch den Sinn für dekorative Wirksamkeit aus. N.s Landschaftsdarstellung findet bes. in der Wandmalerei ihren Ausdruck, macht sich aber auch in seinen Bildern geltend, wo kleine Gouachen überwiegen, die an das Rokoko anknüpfen und inhaltlich durch ein romant. Gefühl für die Natur vertieft werden. Die Entwicklung von N.s Werk, das seinen Höhepunkt Ende der 40er und in den 50er Jahren erreichte, ist bes. in seiner Genre- und figuralen Malerei (oft vom Theater inspiriert) sowie in den Stilleben in Kabinettformat zu verfolgen. Diese Sujets wählte N. in seinem privaten Oeuvre, das erst nach seinem Tode entdeckt wurde. So entstanden seine weiblichen Figuren, die durch hervorragenden Farbensinn, Interpretationskraft und Zartgefühl sowie durch souveräne, lockere Pinselführung gekennzeichnet sind. Gleichfalls bemerkenswerte Ergebnisse erreichte N. in seinen kleinformatigen Stilleben, die ihn durch die Sicherheit der realist. Ausdrucksweise und durch die Art der maler. Interpretation der Materie den bedeutendsten Malern dieser Zeit in Mitteleuropa zur Seite stellen.


Werke: Decken- und Wandgemälde: Decke, 1836, Wladislawsaal der Prager Burg; Gewölbe des Parterresaales, 1838–43, Schloß Liboch; Schloß Girna, ca. 1845–47, 1857; sog. Michalovitz-Haus–Neue Mühlen, beendet, 1847, Prag-Neustadt; Schloß Reichstadt, 1851–53; Schloß Ploschkowitz, 1852–53; Dreifaltigkeitskapelle, 1853, Hadovka in Dejwitz. Landschaften: Landschaft mit einem Jäger; Wasserfall im Dorf; Fuchsjagd; Felsige Landschaft mit Bach; Große Berglandschaft; Gebirgslandschaft mit Gletscher; Alpenlandschaft; Gebirgslandschaft mit See; Alpenlandschaft mit verschneiten Bergen. Figuralmalerei: In Gedanken versunken; Am Fenster sitzende Dame; Mutter mit Kind; Mädchen mit Schleier; Lesendes Mädchen; Musikschule auf dem Lande; Im Atelier; Stelldichein; Stammgäste (Raucher). Genrebilder: Überraschung; Unterredung im Boudoir; Rokokoszene. Stilleben: Fleisch auf einem Teller; Salzheringe; Hummer; Zerteilte Orangen; Halbierte Melone; etc.
Literatur: Topicuv sborník 9, 1921/22, S. 225; Dílo 23, 1931, S. 84, 206, 24, 1932, S. 12; Umení 5, 1932, S. 89, 11, 1938, S. 414, 13, 1940/41, S. 245, 14, 1942/43, S. 215, 15, 1943/44, S. 31, 16, 1944/45, S. 271; Hollar 10, 1934, S. 171; Výtvarné umení 6, 1956, S. 19; Umení XIV, 1966, S. 231, 405; V. Kramár, J. N., nástenné malby v Libechove (J. N., Wandmalereien in Liboch), in: Umelecké poklady Cech 1, 1913, S. 67; P. Toman, J. N., jeho život a dílo (J. N., sein Leben und Werk), 1932; J. Pecírka, J. N., 1940; V. V. Štech–B. Slánský, J. N., 1958; J. N., Praha, Národní galerie (J. N., Nationalgalerie, Prag), 1965 (Katalog); Toman; Bénézit; Nagler; Thieme–Becker; Wurzbach; Komenského slovník naucný, Bd. 8, 1938; Masaryk; Otto 18, Erg. Bd. IV/1; Rieger; F. X. Jirík, Vývoj malírství ceského ve století XIX. (Die Entwicklung der tschech. Malerei im 19. Jh.), in: Dílo 6, 1908, S. 119; A. Matejcek, Sto let ceského umení (Ein Jh. tschech. Kunst), in: Umení 4, 1930/31, S. 66; V. V. Štech, Z obrazárny pražského hradu (Aus der Galerie der Prager Burg), in: Umení 6, 1933, S. 275.
Autor: (V. Kratinová)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 31, 1976), S. 46f.
geboren in Slaný
gestorben in Prag

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