Jordan, Franz Sylvester

Jordan Franz Sylvester, Staatswissenschafter und Politiker. * Omes b. Axams (Tirol), 30. 12. 1792; † Kassel (Hessen), 15. 4. 1861.

Sohn eines Schusters, Neffe des Folgenden; verbrachte eine schwere Kindheit als Taglöhner und Schusterlehrling und konnte erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres in Innsbruck und München seine Gymnasialstud. absolv. Er stud. dann an den Univ. Landshut und Wien, 1815 Dr.phil., 1817 Dr.jur. an der Univ. Landshut. 1817–20 Gerichtspraktikant und Anwaltsvertreter in München und Frankfurt a. M., 1820 Priv. Doz. an der Univ. Heidelberg, 1821 ao. Prof. für Rechtswiss. an der Univ. Marburg, 1822 o. Prof. und ao. Beisitzer der Juristenfak., 1823 o. Beisitzer, 1825, 1829, 1833, 1836 und 1839 Dekan, 1826 Prorektor. J., der Vorlesungen über Staatsrecht, Lehenrecht, Kriminalprozeß, Zivilprozeß und jurist. Praktikum bis 1839, dt. Privatrecht 1822–24, Völkerrecht 1823–27 und 1837–39, Kriminalrecht 1823–34 hielt, war 1830 Abg. der Univ. Marburg zum konstituierenden hess. Landtag und übte als Vorsitzender und Berichterstatter des mit der Prüfung des Regierungsentwurfes der Verfassung beauftragten Ausschusses großen Einfluß auf diese Verfassung aus. 1833 Mitgl. der Stände für die Univ. Marburg, 1833 wurde seine Wahl angefochten und die Kammer deswegen aufgelöst. 1839 wurde J. unter Beschuldigung der Beihilfe zum versuchten Hochverrat verhaftet, auf Schloß Marburg gefangen gehalten und von seinem Lehramt suspendiert, 1843 zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, 1846 vom Ober-Appellationsgericht Kassel freigesprochen, jedoch bis 1848 im Verwaltungswege an der Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit gehindert. 1848 offiziell zum Vertreter der nationalen Bestrebungen berufen, wurde er kurhess. Mitgl. des Bundestages, kurfürstl. hess. Geh. Legationsrat und Bundestagsgesandter, Landtagsabg. des Marburger Landkreises und Mitgl. des Frankfurter Parlaments, Mitgl. der konstituierenden Nationalversammlung und kurhess. Bevollmächtigter bei der Zentralgewalt. 1850 Abg. der Regierung zum Erfurter Parlament. Von F. Dingelstedt und H. Rolett besungen, ist das Schicksal J.s, der in Theorie und Praxis einen entschiedenen Liberalismus verfocht, eng verbunden mit der Geschichte der konstitutionellen Entwicklung in Deutschland. Seine Tochter Henriette Keller-J. (* Marburg [Hessen], 4. 6. 1835; † München, 10. 2. 1909) machte sich als Erzählerin einen Namen.


Literatur: Innsbrucker Wochenbl. 1806, n. 41; Tirol. Bote, 1833, S. 100, 104; Tirol. Volks- und Schützenztg. 1861, S. 337, Beilage 3; Innsbrucker Nachrichten, 1895, n. 204 (Beilage), 1899, n. 157; Wurzbach; ADB; V. Gasser, Erstes biograph.-literar. Schriftstellerlex. von Tirol, Bd. 2, S. 133 (Manuskript im Mus. Ferdinandeum, Innsbruck); W. Weber, Die polit. Ideen von S. J., 1913; F. Gundlach, Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, 1926, S. 124, 126, 223, 519; S. M. Prem, Geschichte der neueren dt. Literatur in Tirol, Abt. 1. 1922, S. 138, 139; A. Dörrer, Festschrift zum Dr.Karl Schönherr-Tag. Axams die Heimat Karl Schönherrs, 1937, S. 25.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 12, 1962), S. 129f.
geboren in Omes
gestorben in Cassel

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