Jäger, Gustav

Jäger Gustav, Physiker. * Schönbach b. Asch (Krásná/Aš, Böhmen), 6. 4. 1865; † Wien, 21. 1. 1938.

Stud. an der Univ. Wien Physik bei Stefan, Loschmidt und Lang, 1888 Dr.phil. Ab 1891 Priv. Doz. für Physik und gleichzeitig Ass. am Inst. für theoret. Physik der Univ. Wien, zuerst bei Stefan und nach dessen Tod (1893) bei Boltzmann (s. d.). 1897–1905 ao. Prof. für theoret. Physik an der Univ. Wien, 1905–18 o. Prof. für Physik an der Techn. Hochschule in Wien, 1915/16 (100. Gründungsjahr dieser Hochschule) Rektor. 1906–34 Mitgl. der Prüfungskomm. für das Lehramt an Mittelschulen, ab 1929 Vorsitzender dieser Komm. 1918–20 Vorstand des Inst. für theoret. Physik an der Univ. Wien, 1920–34 Vorstand des II. physikal. Inst., Mitgl. der Akad. d. Wiss., seit 1919 Mitgl. des Beirates der Komm. für Maße und Gewichte, 1930–34 deren Präs. J.s Entwicklung als Forscher und Gelehrter stand unter dem Einfluß des großen Dreigestirns Loschmidt, Stefan und Boltzmann, die Vorkämpfer und Bahnbrecher der Atomphysik in jener Phase der Forschung waren, als Atomphysik noch nicht gleichbedeutend mit Kernphysik war, als nämlich das Problem des Aufbaus der Atome aus Kernen und Elektronenhülle noch gar nicht zur Diskussion stand, sondern erst die Beweise für die Existenz der Atome überhaupt zu erbringen waren. Im Zusammenhang damit spielte nun in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. der Ausbau der sogenannten molekularkinet. Theorie der Wärme eine große Rolle, welche die Einwirkung des molekularen Baues der Materie auf die therm. und mechan. Erscheinungen zum Gegenstand hatte. Als Ass. und Mitarbeiter Boltzmanns trug er zum weiteren Ausbau der kinet. Gastheorie bei und leitete dabei vor allem auch prakt. greifbare Resultate her. J.s Arbeiten über die innere Reibung der Gase gaben Aufschluß über das Verhalten hochkomprimierter Gase in langen Rohrleitungen, wie sie z. B. in der Ammoniakfabrikation verwendet werden. Ferner konnte J. schon einige Jahre vor dem ersten Motorflug (1903) zeigen, daß die theoret. Einwendungen, die der dt. Physiker H. v. Helmholtz gegen den Bau von Flugzeugen, die schwerer als Luft sind, gemacht hatte, unrichtig seien. Dadurch wurde ein schwerwiegendes Gegenargument einer anerkannten Kapazität aus dem Wege geräumt. J., ein erfolgreicher und beliebter Lehrer, unterstützte durch persönliche Fühlungnahme die Bemühungen des leider mangels entsprechender Mittel erfolglos gebliebenen österr. Pioniers der Luftfahrt W. Kreß. Auf seinen theoret. Arbeiten fußten weiter auch die sogenannten Jäger-Sabineschen Formeln der Raumakustik, die seither bei der Gestaltung von nachhallfreien Sälen in Theatern, Kinos und Versammlungshallen verwendet werden.


Literatur: Wr.Ztg. vom 24. 1. 1938; Neues Österr. vom 6. 4. 1955; Elektrotechnik und Maschinenbau 56, 1937, S. 84; Nature 141, 1938, S. 402; Almanach Wien, 1938; Dt. Senioren der Physik, 1936; Poggendorff 4–7a; Jb. der Wr. Ges. 1929; Eisenberg, Jg. 5, Bd. 2; J. Neuwirth, Die k. k. Techn. Hochschule in Wien 1815–1915, 1915, s. Reg.; A. Lechner, Geschichte der Techn. Hochschule in Wien 1815–1940, 1942, s. Reg.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 11, 1961), S. 55f.
geboren in Krásná
gestorben in Wien

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