Bienenfeld, Elsa

Bienenfeld Elsa, Musikkritikerin. Geb. Wien, 23. 8. 1877; gest. Minsk oder Vernichtungslager Maly Trostinez, Reichskommissariat Ostland (Minsk, BY), 26. 5. oder nach dem 4. 8. 1942.

Älteste Tochter des Hof- und Gerichts-Advokaten, Verteidigers in Strafsachen und gerichtlich beeideten Dolmetschs für die polnische Sprache Dr. Heinrich Bienenfeld und seiner Frau Gitla Viktoria Bienenfeld, geb. Schmelkes; Schwester der Medizinerin Bianca Bienenfeld. – B. war ein musikalisch sehr begabtes Kind, erhielt Privatunterricht und schloss ihr Musikstudium am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde 17–jährig mit Auszeichnung ab. Zu ihren Kommilitonen zählte u. a. Anton von Webern. 1898 maturierte sie am Akademischen Gymnasium in Wien als Externistin, da Mädchen in der Monarchie erst ab 1906 ein Gymnasium besuchen und maturieren durften. 1898–1902 studierte B. Musikwissenschaft bei →Guido Adler an der Universität Wien, wo sie über „Das Liederbuch des Wolfgang Schmeltzl (1544) und Quodlibet des XVI. Jahrhunderts“ dissertierte und 1903 als erste Frau des damals unter dem Namen „Musikhistorische Lehrmittelsammlung“ geführten Instituts (heute Institut für Musikwissenschaft) zum Dr. phil. promoviert wurde. Auf B.s Anregung engagierte →Eugenie (Genia) Schwarzwald 1904 für ihre Schule Arnold Schönberg als Lehrer für Musiktheoriekurse in der Art eines „freien Konservatoriums“. Mit der Organisation wurde B. betraut. Schönberg trug Harmonielehre und Kontrapunkt, Alexander Zemlinsky Formenlehre und Instrumentation, B. selbst Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts vor. Sie war zu dieser Zeit als Musikkritikerin anerkannt und arbeitete für das „Neue Wiener Journal“ und die „Frankfurter Zeitung“ sowie an wissenschaftsjournalistischen und zahlreichen anderen Publikationen (z. B. Beiträgen zur Mahler-Rezeption, Essays über Komponisten, Reiseberichte). Als erste Frau in Wien publizierte sie Rezensionen über Musik und Musiktheater unter eigenem Namen und setzte sich von Anfang an für Frauen, für die Moderne und den künstlerischen Nachwuchs ein. Sie hielt Vorträge in der Wiener Urania (1906/07–1917/18), berichtete über Ur- und Erstaufführungen von Opern, Operetten und Ballettabenden der Wiener Hofoper, der Volksoper, des Theaters an der Wien, über Gesamtgastspiele ausländischer Opernhäuser, die Salzburger Festspiele, Arbeitersymphoniekonzerte und viele weitere Musikveranstaltungen, aber auch über Gesangs-, Klavier- und Violinschulen und musikwissenschaftliche Kongresse. Darüber hinaus übersetzte sie die Texte von zwölf polnischen Volksliedern von Theodorowi Lierhammerowi ins Deutsche. Sie war persönlich u. a. mit →Arthur Schnitzler, Arnold Schönberg, →Richard Strauss und Siegfried Wagner bekannt. B. wurde im Oktober 1939 wegen eines Devisenvergehens inhaftiert und beschränkt entmündigt. Über ihr weiteres Schicksal gibt es unterschiedliche Angaben: So wurde B. entweder im Mai 1942 nach Minsk deportiert oder kam von Wien aus zunächst zur jüdischen Gemeinde nach Prag und wurde von dort Ende Juli 1942 nach Theresienstadt, Anfang August nach Maly Trostinez deportiert.


Literatur: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, red. R. Heuer, 2, 1993; G. Haas, Die jeweils Ersten und „… Lektorat nur auf Kriegsdauer“, in: Musikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Damals und heute. Internationales Symposion (1998) zum Jubiläum der Institutsgründung an der Universität Wien vor 100 Jahren, ed. Th. Antonicek – G. Gruber, 2005, S. 90f., 93f.; K. Draper, A voice for modernism in E. B.’s music reviews, Thesis, Brigham Young University, Provo, UT, USA, 2005; E. Taudes, Musiktheaterkritik von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Dreißiger-Jahre am Beispiel E. B., Diss. Wien, 2007; DÖW, IKG, WStLA, alle Wien.
Referenz: ÖBL Online-Edition, Bd. (Lfg. 2, 2013)
geboren in Wien
gestorben in bei Minsk

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