Békessy, Imre

Békessy Imre (Emmerich), Journalist, Zeitungsherausgeber und Verleger. Geb. Budapest (H), 13. 10. 1887; gest. ebd., 15. 3. 1951 (Selbstmord); mos., ab 1910 evang.

Sohn eines Ungarn und einer Wienerin, Vater des Journalisten und Schriftstellers Janos Békessy, der sich später →Hans Habe nannte, ab 1910 mit der Volksschullehrerin Bianca Marton (geb. Boglár/Balatonboglár, H, 12. 8. 1892; gest. Budapest, 15. 3. 1951; Selbstmord) verheiratet. – Nach Besuch des Gymnasiums in Budapest begann B. 1905 als Reporter bei der angesehenen deutschsprachigen Tageszeitung „Pester Llyod“, wechselte dann zum „Neuen Pester Journal“ und 1908 zum Tagblatt „Magyar Nemzet“. Nach dem Kriegsdienst fungierte er ab 1917 als Chefredakteur der Zeitung „Esti Ujság“ und gründete im selben Jahr die Wochenzeitung „Tőzsdei Kurir“. Während der ungarischen Räterepublik als Leiter der Presseabteilung im Volkskommissariat für Unterricht eingesetzt, wurde er nach dem Sturz Béla Kuns vorübergehend inhaftiert und flüchtete 1920 nach Wien. Finanziert durch den Bankier, Industriellen und Börsenspekulanten Camillo Castiglioni, gründete B. dort im November 1920 die Wochenzeitung „Die Börse“ und damit einen für Österreich neuen Zeitungstyp, nämlich ein Wirtschaftsblatt, das auch der „kleine Mann“ verstehen sollte, das aber ebenso zur Beeinflussung der Börsenkurse diente. Castiglioni stand gleichfalls hinter dem 1922 von B. gegründeten Kronos-Verlag, in dem dieser ab März 1923 die Tageszeitung „Die Stunde“, das erste moderne, reich illustrierte Boulevardblatt Österreichs, herausgab. Das linksliberale Sensationsblatt erschien in einer Auflage von 50.000 Exemplaren unter dem Chefredakteur Karl Tschuppik. Im November 1924 startete B. in einer Auflage von 30.000 Exemplaren außerdem die kulturelle Wochenrevue „Die Bühne“. Zu den Mitarbeitern dieser Blätter zählten renommierte Publizisten wie Anton Kuh, der Schriftsteller Victor Wittner, der spätere Dozent an der New Yorker New School for Social Research Fritz Kaufmann oder der spätere Hollywood-Regisseur Billy Wilder. „Börse“ und „Stunde“ (beide 1938 eingestellt) bildeten Höhe- und Endpunkt des v. a. in Wien und Budapest gepflegten „Revolverjournalismus“: Mit Andruckfahnen kompromittierender Artikel erpressten Anzeigenakquisiteure von Unternehmen und Prominenten als Gegenleistung für die Nichtveröffentlichung Schweigegeld oder Inserate. Es kam zu Prozessen sowie Kampagnen durch →Karl Kraus in der „Fackel“ und den entlassenen „Stunde“-Redakteur →Ernst Spitz in dessen Broschüren „Békessys Revolver“, die 1926 zu B.s Flucht nach Paris führten. 1927 übernahm B. in Budapest wieder den „Tőzsdei Kurir“, 1928 hob er die volkswirtschaftliche Monatsschrift „Ost-Kurier“ aus der Taufe, deren Erfolg ihm den Kauf der Montagszeitung „Reggeli Újság“ ermöglichte. Besonders mit Letzterer pflegte er seine Erpressungstaktik weiter, bis er 1935 als Herausgeber zurücktrat und Mitarbeiter der liberalen Tageszeitung „Újság“ wurde. 1939 emigrierte B. in die Schweiz, 1940 nach Hollywood. 1946 veröffentlichte er in New York den englischsprachigen Roman „Barabbas“. Gemeinsam mit seiner Frau kehrte er 1947 nach Budapest zurück. 1951 beging B., ein Freund des 1949 als „Titoist“ hingerichteten ungarischen Innenministers László Rajk, mit seiner Frau Selbstmord. Kraus setzte ihm im Drama „Die Unüberwindlichen“ 1928 ebenso ein literarisches Denkmal wie →Stefan Grossmann im Roman „Chefredakteur Roth führt Krieg“ und Hans Habe 1938 im Roman „Eine Zeit bricht zusammen“.


Literatur: M. Életr. Lex.; A. Kutschera, „Die Stunde“ unter der Leitung ihres Herausgebers E. B., phil. Diss. Wien, 1952; P. Kirchweger, Inflations- und Revolverpresse in der Ersten Österreichischen Republik. E. B. in Wien 1920 bis 1926, grund- und integrativwiss. Diss. Wien, 1985 (m. L.); P. Pelinka – M. Scheuch, 100 Jahre AZ, 1989, S. 77–79; W. Duchkowitsch, Nicht immer nur B.!, in: Neohelicon 24/1, 1997, S. 197–202; B. V. Lanz, Das Phänomen „E. B.“ in der Fackel, geistes- und kulturwiss. DA Wien, 2002, bes. S. 32–36; S. Falk, Die „Arisierung“ Wiener Zeitungsverlage, 2002, S. 158–161, 164–175 (m. B.); A. Hutter, Rasierklingen im Kopf. E. Spitz – Literat, Journalist, Aufklärer, 2005, s. Reg.; S. S. Falk, H. Habe – Journalist und Schriftsteller, phil. Diss. Wien, 2008, S. 36–58 (m. B.); A. Thurnher, „Hinaus aus Wien mit dem Schuft!“, in: Falter, 2008, Nr. 16, S. 21f.; H. A. Mayr, H. Habe als Kolumnist der Zeitungen des Axel Springer Verlages, phil. DA Wien, 2009, S. 16–18.
Referenz: ÖBL Online-Edition, Bd. (Lfg. 1, 2011)
geboren in Budapest
gestorben in Budapest
ausgebildet in Budapest
war Mitarbeiter von Pester Lloyd
war Mitarbeiter von Neues Pester Journal
war Mitarbeiter von Magyar Nemzet
war Chefredakteur Esti Ujság 1917
war Gründer von Tőzsdei Kurir 1917
war Abteilungsleiter Volkskommissariat für Unterricht (Ungarische Räterepublik) 1919-1919
war Gründer von Die Börse 1920
war Gründer von Kronos-Verlag 1922
war Herausgeber Die Stunde 1923
war Gründer von Die Bühne 1924
war Gegner Die Fackel
war Gegner Békessys Revolver
war Gründer von Ost-Kurier 1928
war Eigentümer von Reggeli Újság
war Mitarbeiter von Újság 1935
war Mitarbeiter von Pester Lloyd 1905
war Mitarbeiter von Neues Pester Journal
war Mitarbeiter von Magyar Nemzet 1908
war Chefredakteur Esti Ujság 1917
war Gründer von Tőzsdei Kurir (1917) 1917

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