Stoll, August

Stoll August, Sänger, Regisseur und Komponist. Geb. Hermannstadt, Siebenbürgen (Sibiu, Rumänien), 3. 1. 1853; gest. Wien, 12. 7. 1918; röm.-kath.

Sohn von Péter S. (s. d.), Bruder von Karl und Gisela S. (beide s. u.). – Von seinem Vater ausgebildet, debüt. S. 1869 in Laibach als Schauspieler und kam dann als Operettentenor über Bozen (Bolzano), Preßburg und Olmütz (Olomouc) 1872 an das Wr. Carltheater. 1873 wurde er von E. Kreibig (s. d.) nach Graz und, nachdem dieser die Dion. des Prager Dt. Landestheaters übernommen hatte, 1876 als 1. lyr. Tenor an dieses engag. (Debüt als Wilhelm Meister in „Mignon“ von Ambroise Thomas). Wegen seiner flexiblen, nuancenreichen Stimme und seiner darsteller. Fähigkeiten außerordentl. beliebt, sang S. in Prag alle großen lyr. Rollen des italien., französ. und dt. Repertoires, schädigte seine Stimme jedoch durch den Übergang ins Zwischen- bzw. Heldentenorfach (z. B. als Assad in „Die Königin von Saba“ von Karl Goldmark, Wagners Rienzi und Walter von Stolzing), sodaß er 1884 ins Operettenfach wechseln mußte (Debüt als Symon Rybanowicz in Karl Millöckers „Der Bettelstudent“). Nach kurzer Tätigkeit am Theater an der Wien wurde S. noch im selben Jahr an die Wr. Hofoper verpflichtet, an der er als Don José debüt. Hier war er 1885 mit einer Inszenierung von Louis Maillarts „Das Glöckchen des Eremiten“ so erfolgreich, daß er auch als Regisseur (1889 Oberregisseur) engag. wurde. Insgesamt trat S. über 1.300mal in kleineren Partien (er beherrschte über 140 Rollen vom Baß- bis zum Tenorfach) auf. Von seinen Sprechrollen ist bes. jene des Frosch in der Erstauff. von Johann Strauß’ „Die Fledermaus“ an der Hofoper zu erwähnen, bei der er auch Regie führte. S. war ab 1892 Exspektant, 1898–1918 Mitgl. der Hofmusikkapelle und unterrichtete 1890–1901 und 1907–18 am KdM (bzw. an der Akad. für Musik und darstellende Kunst) Dramat. Darstellung, 1890–95 auch Deklamation. Als Präs. des Österr. Bühnenver. erwarb er sich Verdienste um die finanzielle Sicherstellung von dessen Mitgl. und bemühte sich um das Zustandekommen einer neuen Theatergesetzgebung. S. wurde u. a. mit dem Prof.titel, 1900 mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens und 1918 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. ausgez. Sein Bruder Karl (Károly) S. (geb. Pest/ Budapest, Ungarn, 19. 5. 1864; gest. ebd., 27. 1. 1922) trat, ebenfalls von seinem Vater ausgebildet, als Tenor u. a. in Kaschau (Košice) und Szegedin (Szeged) auf, bereiste mit einer Opernges. Ungarn und Siebenbürgen und wirkte ab 1898 an Budapester Theatern. Er war auch als Regisseur und als Komponist von Singspielen tätig. Seine Schwester Gisela (Gizella) S. (geb. Pest, 12. 10. 1867) wurde u. a. von ihrem Vater und von K. Pruckner (s. d.) ausgebildet und trat mit großem Erfolg in lyr., aber auch in jugendl.-dramat. Rollen u. a. 1890–91 in Innsbruck, hierauf bis 1893 (1. dramat. Sängerin) in Regensburg, dann in Köln, Linz und Zürich auf. 1895–96 absolv. sie als Mitgl. der Damrosch Opera Company eine Nordamerika-Tournee, auf der sie die großen Rollen des Wagnerfachs sang. Nach einem Engagement in Aachen (1897–99) gastierte sie fast nur noch an dt. und österr. Bühnen.


Werke: Weitere Rollen (auch s. u. A. Láng – O. Láng; Ludvová): Nachtwächter (R. Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg); Zitterbart (W. Kienzl, Der Evangelimann); Caramello (J. Strauß, Eine Nacht in Venedig); Prinzipal (F. Smetana, Die verkaufte Braut); Haushofmeister (R. Strauss, Ariadne auf Naxos); etc. – W. (Urauff.): Die Georginen oder Vom Ernst zum Scherz, 1902 (Operette); Noble Gäste, 1903 (Singspiel); Das Marktkind, 1903 (Operette); Das Lied, 1911 (Bühnenspiel); Die selige Kinderzeit, 1918 (Singspiel).
Literatur: NFP, 20. 10. 1909, 12. 7. (A.) 1918; Illustrirtes Wr. Extrabl., 8. (m. B.), 20. 10. 1909, 13. 7. 1918 (m. B.); FB, 13. 7. 1918; Eisenberg, Bühne; Kutsch–Riemens, 4. Aufl. 2003; Ludvová (mit Rollenverzeichnis, W. u. L.); oeml; Ulrich; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 3, 1888, bes. S. 736f., 757ff.; Bühne und Welt 12, 1910, S. 758f.; Dt. Bühnen-Jb. 30, 1919, S. 132f.; F. Stieger, Opernlex. 2/3, 1978 (auch für Karl S.); V. Reittererová – H. Reitterer, Vier Dutzend rothe Strümpfe …, 2004, s. Reg. (m. B.); A. Láng – O. Láng, Chronik der Wr. Staatsoper 1869–2009, 2, 2009, S. 336ff. (mit Rollenverzeichnis); Mitt. Jitka Ludvová, Praha, Tschechien, Vlasta Reittererová, Wien. – Karl S.: oeml; Zenei lex. II; Magyar színházmuvészeti lex., 1994. – Gisela S.: Eisenberg, Bühne (s. u. August S.); Kosch, Theaterlex.; Kutsch–Riemens, 4. Aufl. 2003; oeml; Ulrich; Zenei lex. II; Der Humorist 14, 1894, Nr. 10 (m. B.), 15, 1895, Nr. 20 (m. B.); Mitt. Christian Fastl, Wien.
Autor: (H. Reitterer)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 311f.
geboren in Hermannstadt
gestorben in Wien

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