Schuster, Valentin J.

Schuster Valentin J., Ps. Mungo, Journalist. Geb. Wien, 9. 1. 1900; gest. Bischofshofen (Sbg.), 11. 6. 1945 (Selbstmord).

Sohn eines k. k. Hofamtstürhüters. Nach Absolv. der zweiklassigen Handelsschule war S. bei diversen Firmen tätig und nahm von August 1917 bis November 1918 als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil, wurde verwundet und mehrmals ausgez. Welcher Beschäftigung er unmittelbar nach Kriegsende nachging, ist unbekannt; im Oktober 1921 wurde er in Wien wegen Diebstahls, Betrugs, Veruntreuung sowie Zuhälterei zu vier Jahren schweren, verschärften Kerkers verurteilt, im März 1923 auf Bewährung entlassen. Im Oktober 1924 in die Anstalt Am Steinhof eingeliefert, um seine Rauschgiftsucht zu kurieren, stahl er dort Akten zum Sadistenprozeß Kadivec. Der Versuch, das Material journalist. zu verwerten, dürfte gescheitert sein und S. wurde zur Verhaftung ausgeschrieben. Er verließ Österr. 1925 fluchtartig und ging nach Frankreich, wo er sich im folgenden Jahr der Fremdenlegion anschloß, bei der er bis 1929 oder 1930 blieb. Nach seiner Rückkehr nach Wien trat S. 1931 der NSDAP bei, 1938 der SS, in der er es bis zum Untersturmführer brachte. Er wurde dem Rasse- und Sicherheitshauptamt sowie dem SS-Hauptamt zugeteilt. Seine Karriere verlief jedoch nicht ungestört: im April 1941 wurde gegen S. parteiamtl. ermittelt, weil er Vorstrafen und Vorleben verschwiegen hatte. Das Verfahren wurde im Mai 1944 eingestellt. S. trat 1924 mit seichten, salopp formulierten Humoresken im „Neuen Wiener Journal“ erstmals schreibend an die Öffentlichkeit; nach seiner Rückkehr aus Frankreich (ab Februar 1931) sind etl. Pariser Reminiszenzen in der Wochenausg. des „Neuen Wiener Tagblatt“ nachweisbar. Ab 1932 verf. er für die „Deutschösterreichische Tageszeitung“ (DÖTZ) und den „Kampfruf“ zahlreiche Artikel und Glossen, in denen er den polit. Gegner diffamierte. Die ungezügelte journalist. Tätigkeit, die zu Wortexzessen ausartete, führte nach eigenen Angaben in 32 Fällen zur Strafverfolgung. Nach dem Verbot der DÖTZ (Juli 1933) fand er zunächst in München bei dem von Theo Habicht hrsg. „Österreichischen Pressedienst“ Verwendung sowie beim „Kampfblatt der NSDAP für Kärnten und Osttirol“, dem „Freiheitskampf“; ab November 1933 arbeitete er v. a. für den „Völkischen Beobachter“, den „Angriff“ (1934/35) und „Das schwarze Korps“ (ab 1935). Darüber hinaus war er Chefred. der Z. „Die Deutsche Polizei“ (ab 1937). Obwohl S. den Nationalsozialismus bei entsprechendem Anlaß emphat. ohne Vorbehalt propagierte, fand er bei Gesinnungsgenossen v. a. als Satiriker Anerkennung, besaß jedoch weder Witz noch Geist, sondern muß zu jenen notor. Spaßmachern gezählt werden, deren literar. Ehrgeiz sich in Trivialitäten oder wüsten Beschimpfungen auf der Grundlage von derbem Spott und billigem Wortwitz erschöpft. Ob er in- oder ausländ., große oder kleine Themen glossierte, galt gleichviel; kein Klischee war zu abgeschmackt, um es nicht stereotyp im Sinne der Machthaber zu wiederholen. Was immer S. auch schrieb: Vorrangig ging es ihm um die „jüdische Frage“, deren „Endlösung“ er verbal betrieb. Der ideolog. zugerichteten Phrase willfährig zugetan, machte S. das polit. Schlagwort zum „Totschlagwort“ (K. Kraus), das zu unmittelbarer Befolgung anhielt, und gab sich so als „Wortbereiter“ des Massenmords zu erkennen.


Werke: Der Nachbar im Westen, 1936; Franziskan. Miniaturen, 1937; Die Marsbewohner sind da! Polit. Satiren (= Lustige Bücher-R. 9), (1939); Schüsse mit gehacktem Eisen, 1939; Küchenchef, Kompanieschuster und Kolonnenhund. Männer, die im Schatten kämpfen (= Kriegsbücherei der dt. Jugend 145), (1943); Beitrr. in Ztg. und Z., Tagbl.Archiv, Wien.
Literatur: Arbeiter-Ztg., 22. 2. und 21. 9. 1933; RP, 4., 20., 23. 9. und 24. 12. 1933; Der Wr. Tag und NWT, 24. 12. 1933; Volksztg., 4. 1., Völk. Beobachter (Wien), 10. 1. 1940; Neues Österr., 24. 5. 1945; E. Früh, in: Medien & Zeit 3, 1995, S. 3ff., auch in: Macht Literatur Krieg (= Fazit 2), hrsg. von U. Baur u. a., 1998, S. 227ff.; Berlin Document Center, Berlin, Dtld.; Forschungsprojekt „Österr. Literatur im Nationalsozialismus“, Univ. Graz, Stmk.; Tagbl.Archiv, Wien.
Autor: (E. Früh)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 397f.
geboren in Wien
gestorben in Bischofshofen

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