Schreiber, Moses

Schreiber (Sofer, Hatam Sofer) Moses, Rabbiner und Gelehrter. Geb. Frankfurt a. Main, Freie Stadt (Deutschland), 24. 9. 1762; gest. Preßburg/Pozsony, Oberungarn (Bratislava, Slowakei), 3. 10. 1839.

Sohn eines Rabb., Vater von Abraham Samuel Benjamin Wolf und Simon S., Großvater von Bernhard S. (alle s. d.); mos. S. zeigte frühreifes Talent und war 1776/77 Schüler berühmter Talmudgelehrter in Frankfurt und Mainz. Eine bes. enge Bindung hatte er zu dem gelehrten Rabbi Nathan Adler in Frankfurt, dem er spontan folgte, als dieser nach Boskowitz (Boskovice) in Mähren berufen wurde. Nach Adlers Rückkehr nach Frankfurt (1785) zog S. nach Proßnitz (Prostejov), wo er heiratete und deshalb sein Ideal, sich ausschließl. dem Thorastud. zu widmen, eine Zeitlang verwirklichen konnte.Ökonom. Gründe zwangen ihn jedoch, 1794 das Rabbinat in einer kleinen Gmd. bei Straßnitz (Strážnice) zu übernehmen, ehe er 1798 nach Mattersdorf (Mattersburg) berufen wurde. Dort leitete er eine Talmudschule (Jeschiwa), sammelte die ersten Anhänger um sich und erlangte einen vorzügl. Ruf als Rabb. und Lehrer. Sein vorerst noch provinzieller Wirkungskreis änderte sich durch die Annahme des Rabbinats der Gemeinde von Preßburg (1806), die durch Zahl und Tradition größte Bedeutung für ganz Ungarn hatte. Durch die Persönlichkeit S.s sollte ihre Stellung als Zentrum des Judentums noch weiter gefestigt werden. 1812, nach dem Tode seiner ersten Frau, heiratete S. die Tochter des berühmten Rabb. von Posen, Akiba Eger. Damit gewann er noch weiter an Ansehen. S.s. Tätigkeit in Preßburg konzentrierte sich vor allem auf die von ihm zur höchsten Blüte geführte Jeschiwa, an der er seine Vorstellung verwirklichte, das Stud. der Thora um ihrer selbst willen zum Lebensinhalt zu machen. Diese anspruchsvolle Akad., deren Absolventen als Rabb. im Sinne S.s in vielen Gmd. wirkten und daher die zeitweilige Dominanz der Orthodoxie in Ungarn begründeten, galt unter seiner Leitung als die größte Jeschiwa der Welt und wurde mit den klass. jüd. Hochschulen der Spätantike verglichen. S., mittlerweile zur führenden Autorität des orthodoxen ung. Judentums aufgestiegen, machte den Kampf um die Erhaltung der jüd. Identität und gegen jegl. Änderungen der Traditionen des Judentums zu seiner bes. Aufgabe. Als die Neuerer in der Preßburger Gmd. 1811 eine Schule errichten wollten, in der Religion und profane Fächer gleichzeitig unterrichtet werden sollten, wandte sich S. gegen die Abkehr von traditionellen Lehrmethoden und die Verwendung der dt. Bibelübers. von Moses Mendelssohn. Große Beachtung erlangte auch sein, auf Ersuchen des Hamburger Rabb.Gerichts abgegebenes, negatives Gutachten über den dort 1819 gegründeten Reformtempel. Konsequent lehnte er die gesetzl. Gleichstellung der Juden ab, in der er die Gefahr der allmähl. Auflösung der jüd. Gemeinschaft erblickte. Das Hauptwerk von S.s umfangreichem theolog.-literar. Schaffen, das erst postum veröff. wurde, ist die bereits in Mattersdorf begonnene sechsbändige Responsensmlg. „Hatam Sofer“, die zwischen 1841 und 1912 erschien. Kennzeichnend für das hohe Ansehen S.s war auch der Umstand, daß die jüd. Gmd. Preßburgs noch vor seinem Tod seinen ältesten Sohn Abraham Samuel Benjamin Wolf S. zu seinem Nachfolger bestimmte.


Werke: W. (s. dazu auch J. Fürst, Bibliotheca Judaica 3, 1960, s. Sofer M.): Širat Moše, 1857 (religiöse Ged. und Lieder); Tsewaat Moše, 1863 (Testament); Torat Moše, 1879–93 (Kommentar zum Pentateuch); Sefer Zikaron, 1896 (Kriegserinnerungen 1809); Derašot, 2 Bde., hrsg. v. J. N. Stern, 1929 (Predigten); usw.
Literatur: Kgl.-Freistädt. Preßburger Ztg., 8. 10. 1839 und 8. 12. 1906; ADB; Enc. Hebr.; Enc. Jud. (mit Bild); Jew. Enc. (mit Bild); Jüd. Lex. (mit Bild); Magyar Zsidó Lex. (s. Szófér M.); Szinnyei; Universal Jew. Enc.; Wininger; M. Herzfeld, Biographie von Rabbi M. Sofer aus Frankfurt am Main …, 1879; Testament des Rabbi M. Sofer genannt „Chassam Sofer“, übers. und kommentiert von M. Herzfeld, 1879; S. Schreiber, Hut ha-Mešulaš (Der dreifache Faden), 1887; M. Grunwald, in: Jb. für jüd. Volkskde. 1924/25, 1925, S. 431ff. (s. Ssofer M.); H. Schwab, Chachme Ashkenaz. A concise record of the life and work of orthodox Jewish scholars of Germany from the 18th to the 20th century, (1964), S. 114f.; F. P. Hodik, Beitrr. zur Geschichte der Mattersdorfer Judengmd. … (= Bgld. Forschungen 65), 1975, S. 241ff. (s. Sofer M.); Sh. Spitzer, in: Stud. Judaica Austriaca 8, 1980, S. 111ff., auch in: Pannonia 19, 1991, H. 4, S. 17ff. (s. Sofer M.); J. Katz, in: From East and West. Jews in a Changing Europe 1750–1870, hrsg. von F. Malino und D. Sorkin, (1990), S. 223ff. (s. Sopher H.); D. Wienand, in: Die Zeit, 1. 5. 1992, S. 83 (s. Sofer Chatam); Slovenský biografický slovník 5, 1992; D. Cohn-Sherbok, The Blackwell Dictionary of Judaica, (1992) (s. Sopher M.); Sh. Spitzer, in: Beitrr. zur Geschichte der Juden im Bgld., hrsg. von dems., 1994, S. 49f. (s. Sofer M.); Mitt. Shlomoh Spitzer, Tel Aviv, Israel.
Autor: (N. Vielmetti)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 197f.
geboren in Frankfurt am Main
gestorben in Pressburg

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