Leitner, Friedrich

Leitner Friedrich, Betriebswirtschafter. * Wien, 26. 1. 1874; † Berlin, 3. 7. 1945.

Nach der Handelsakad. in Wien 1893–95 kaufmänn. Praxis im Bank- und Speditionsgeschäft in Wien, 1895–98 Ass. und Supplent an der Wr. Handelsakad., Ablegung der Staatsprüfungen für das Lehramt an mittleren und höheren Handelsschulen in Wien, 1898–1903 Lehrer und Oberlehrer am Großherzoglichen Real-Gymn. und an der damit verbundenen Höheren Handelsschule sowie nebenamtlicher Dir. der Kaufmänn. Fortbildungsschulen der Handelskammer in Mainz, 1903–06 Oberlehrer an der städt. Handelslehranstalt und Ass. an der Akad. für Sozial- und Handelswissenschaften Frankfurt a. M., 1906 hauptamtlicher Doz. der Handelswissenschaften an der neugegr. Handelshochschule (ab 1936 Wirtschafts-Hochschule) Berlin, dort 1908 Prof. (nach der Übernahme der Hochschule durch den preuß. Staat, 1927, o. Prof.), zuerst der Handelswissenschaften, ab 1919 der Handelswiss., ab 1922 der Privatwirtschaftslehre, ab 1923 der Betriebswirtschaftslehre, 1918–20, 1930/31 Rektor. Ab 1921 Vorlesungstätigkeit an der Techn. Hochschule Berlin, 1925 dort Hon.-Prof., 1923 Dr. rer. pol. h. c. der Univ. Tübingen, 1936 Ehrenbürger der Wirtschafts-Hochschule Berlin, 1938 em. L. kann als einer der Pioniere und bedeutendsten Vertreter der Betriebswirtschaftslehre bezeichnet werden. Er hatte maßgeblichen Anteil an jener Wandlung des Faches, die auch in den angeführten Benennungen seines Lehrstuhls ihren Niederschlag fand. Seine Wirkung in Forschung und Lehre vermag an seinen zahlreichen auflagenstarken Werken abgelesen werden, die einerseits — wie etwa die „Selbstkostenberechnung“ oder die „Bilanztechnik und Bilanzkritik“ — wiss. Neuland erschlossen und sich anderseits über Jahrzehnte als Lehrbücher bewährten. L. wurde zutreffend als Vertreter einer empir.-realist. Betriebswirtschaftslehre angesprochen, für den — nach seinen eigenen Worten — „die Einzelwirtschaftslehre der Ertragswirtschaften . . . zunächst praktische Aufgaben zu lösen (hat) . . .: eine Lehre vom zweckmäßigen Handeln, ein Wissen um des Könnens willen“. Seine strikt einzelwirtschaftliche Ausrichtung, die auch im Festhalten am Wort „Privatwirtschaftslehre“ zum Ausdruck kommt, hinderte L. nicht daran, den Zusammenhang zur Volkswirtschaftslehre zu sehen, weil „Einzel- und Sozialwirtschaftslehre nur Teile einer allgemeinen Wirtschaftslehre mit den gleichen Objekten der Forschung sind“. Auch organisator. und hochschulpolit. erwies sich L. als Pionier der Betriebswirtschaftslehre und der Handelshochschulen. In sein erstes Rektorat fallen der 1926 realisierte Antrag auf Verleihung des Promotionsrechtes an die Handels-Hochschule Berlin und die Errichtung des „Seminars für Kontrollbeamte (Bücherrevisoren, Treuhänder, Steuerbeamte usw.)“, für das sich L. bereits 1914 in einer Denkschrift eingesetzt hatte, des Genossenschaftsseminars, des Seminars für Versicherungswesen, des Seminars für Steuerwesen, des Seminars für Politik, dem L. als „Konzession an die Zeit“ freilich skept. gegenüberstand, sowie des Inst. für Wirtschaftspsychol.


Literatur: Z. für Handelswiss. und Handelspraxis, Jg. 16, 1923/24, S. 279; F. Schönpflug, Betriebswirtschaftslehre. Methoden und Hauptströmungen, 2. Aufl. 1954, S. 283–321; F. Edel, F. L., in: Ein Halbjh. Betriebswirtschaftliches Hochschulstud., Festschrift zum 50. Gründungstag der Handels-Hochschule Berlin, 1956, S. 157 f.; E. Kosiol, Wegbereiter der Betriebswirtschaftslehre. Würdigung der Forschungsleistungen von L. und Nicklisch, ebenda, S. 134–37; Handwörterbuch der Sozialwiss. Bd. 6, 1959; Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 3. Aufl., 1960; Kürschner, Gel. Kal., 1925–40/41.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), S. 118f.
geboren in Wien
gestorben in Berlin

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